Kino für eine Lady Filmtage Kino für eine Lady

Desssau - Noch sieben Abende wird Thomas Ohrmann seine Wetter-App strapazieren und den Regenradar ständig aktualisieren. Am liebsten sieht der Filmdisponent des Dessauer Kiez-Kinos für die kommende Woche einen wolkenlosen Abendhimmel über Wörlitz. Regen kann das kleine Programm-Kino nicht gebrauchen, wenn am 27. August die ersten „Wörlitzer Filmtage“ beginnen. Es ist ein kleines Wagnis zum Ende des Sommers, aber Wagnisse sind die Kino-Macher aus Dessau schließlich schon früher eingegangen. Nun also siebenmal Sommer-Kino am Stück in der Parkstadt: Es konkurrieren gute Filme und eine traumhafte Kulisse. Aufführungsort ist die künstliche Felseninsel Stein im Wörlitzer Park.
Sommerkino unter freiem Himmel ist für die ehrenamtlichen Kino-Macher eigentlich keine Herausforderung. Darin sind sie seit drei Jahren am Dessauer Landhaus im Norden der Stadt erprobt, im Hof des Schwabehauses bauen sie in den Ferien regelmäßig den Projektor auf. Der eigentliche Kinosaal im Kiez bleibt dann geschlossen. Die 50 Plätze in einem der kleinsten Programmkinos Deutschlands sind verwaist. Kinopause im Kommunalen Informations- und Einwohnerzentrum, das niemand so nennt, stattdessen mit der Dämmerung Leinwandspaß Open Air.
30 Filme in der engeren Wahl
Aber Wörlitz ist ein kleiner Ort, Programmkino mag hier Touristen und Einwohner nicht locken, womöglich aber eine schöne Frau mit einer außergewöhnlichen Geschichte. Die liefert in diesem Sommer Emma Hamilton (1765-1815). Jene Lady, die aus der Armut kam, den britischen Botschafter William Hamilton heiratete und später die Geliebte Lord Nelsons wurde. Eine Frau, die nicht nur im 18. Jahrhundert die Leute verzückte oder verstörte, sondern dies auch heute noch vermag. Lady Hamilton bewegt, und vor allem mischt sie das Gartenreich auf.
Sonderausstellung, Rahmenprogramm, gar den Vulkanausbruch des künstlichen Vesuv widmete ihr die Kulturstiftung Dessau-Wörlitz. Warum also nicht in Zusammenarbeit mit dem Kiez-Kino Filmtage für die Lady veranstalten, denen am 27. August „Lord Nelsons letzte Liebe“ und am 2. September „Lady Hamilton – Zwischen Schmach und Liebe“ den Rahmen geben. Dazwischen Kostümfilme, etwas über Gärtnerlust mit „Die Gärtnerin von Versailles“, ein wenig Action mit den Musketieren und immer wieder Liebe, auch unerfüllte in „Gefährliche Liebschaften“.
„Wir hatten 30 Filme in der engeren Wahl, die thematisch passten“, sagt Thomas Ohrmann. Die Endauswahl fiel deshalb nicht leicht, und noch schwerer war es, den Eröffnungsfilm zu erhalten. Für den Klassiker von 1941 mit Vivien Leigh und Laurence Olivier waren Korrespondenzen bis nach England notwendig. Der Aufwand wird sich freilich gelohnt haben, denn der Ausstattungsfilm „Lord Nelsons letzte Liebe“ hat nicht nur vier Oscars erhalten, sondern auch einen großen Mann begeistert. Der einstige Premier Winston Churchill hatte ihn 83 mal gesehen und zu seinem Lieblingsfilm auserkoren.
Roter Teppich zum Premierenabend in Wörlitz
„Darauf freue ich mich ganz besonders“, blickt denn auch Uwe Quilitzsch auf den Eröffnungsstreifen. Er ist der Lady-Experte in der Kulturstiftung Dessau-Wörlitz und hat nicht nur maßgeblich die aktuelle Sonderausstellung im Schloss verantwortet, sondern auch das Begleitprogramm ausgearbeitet.
Dabei erinnerte sich Quilitzsch auch an die Pompeji-Ausstellung vor vier Jahren. Schon einmal war das Kiez-Kino 2012 auf der Insel Stein zu Gast und zeigte im Halbrund des römischen Theaters an zwei ausverkauften Abenden den Pompeji-Konzertfilm von Pink Floyd. „Einmalig war das damals, und an diese Atmosphäre wollen wir in diesem Sommer anknüpfen“, so Uwe Quilitzsch.
Liegestühle am idyllischen Dessauer Landhaus
Die Kiez-Kino-Macher ließen sich nicht lange bitten. „Uns ist immer an einer schönen Atmosphäre gelegen“, sagt Sebastian Völker, dessen Agentur für die Region Anhalt das Leo-Magazin herausbringt und der mit seinem Leo-Team den Dessauer Kiez-Verein und dessen Kino in Sachen Programm, Ausgestaltung und Vermarktung unterstützt. Gab es in den vergangenen sieben Wochen am idyllischen Dessauer Landhaus Liegestühle, Luftballons und Seifenblasenmaschine, so soll am Premierenabend in Wörlitz ein roter Teppich ausgerollt werden, Blitzlichtgewitter inklusive, dazu Bewirtung vom benachbarten Hotel „Zum Stein“. Ein wenig Glamour eben, denn wenn die Parkstadt einen Vulkanausbruch simulieren kann, sollte schließlich auch ein Hauch von Filmfestspielen möglich sein.
Was da in Wörlitz passiert, ist weit mehr, als die übliche Arbeit eines Programmkinos. Es ist vor allem Enthusiasmus und Idealismus, aber auch Notwendigkeit. Das Kiez-Kino braucht Besucher, wenn es überleben will. Der Weiterbetrieb stand schon mal auf der Kippe, erinnert sich Sebastian Völker. Sein Stadt-Magazin sprang dem Kiez-Verein vor sieben Jahren helfend zur Seite, als diesem das Kino-Geschäft über den Kopf wuchs. „Kiez-Kino – Das Leo Lichtspiel“ heißt das Programmkino seitdem.
Gute Filme, dazu ein Bier
„Es war damals eine rein emotionale Entscheidung, wir wollten einfach das Bestehen des Kinos sichern. Es kann doch nicht einfach alles verschwinden“, sagt Völkers, der Kino bis dahin nur aus der bequemen Zuschauerperspektive kannte. Gute Filme, dazu ein Bier – das wollte er auch künftig in seiner Heimatstadt haben. Seitdem läuft es auf der Leinwand weiter, und ein Team aus Kinofreunden bestimmt die Programmauswahl. Viel schwieriger als die erste Rettung des Programmkinos war für Sebastian Völker und Thomas Ohrmann die Umstellung auf digitalen Film.
Die Anschaffung eines Vorführsystems, wie es amerikanische Verleiher voraussetzen, war für den Verein illusorisch. 50.000 Euro hätte dieses gekostet. Wegen seiner Größe fiel das Kiez-Kino durch alle staatlichen Förderprogramme für die Umrüstung, während immer weniger Filme auf klassischer Rolle herauskamen. Völker kaufte schließlich ein günstigeres Alternativmodell und stellte es dem Verein zur Verfügung.
Das schränkt zwar immer noch die Vielfalt ein, aber die Umstellung hat geklappt und Edmund Lening, der Filmvorführer aus Kasachstan, ist an der neuen Technik ebenso versiert wie am Projektor. Diesmal nun also in Wörlitz für eine Lady. (mz)