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Feuer Wasser und Stürme Feuer Wasser und Stürme: Amtsleiter Roland Schneider nimmt Abschied

Von Annette Gens 29.10.2014, 08:36
Er ruht in sich, hat keine Bange vor dem neuen Lebensabschnitt - Roland Schneider.
Er ruht in sich, hat keine Bange vor dem neuen Lebensabschnitt - Roland Schneider. Sebastian Lizenz

Dessau-Rosslau - Er trägt am rechten Handgelenk ein blaues Band, was auf einen Hotelaufenthalt mit „All inklusive“ hindeuten könnte. Das Band trage er seit dem Hochwasser 2013. Die Schrift darauf (Fluthilfe 2013 - wir sagen Danke) ist längst verblasst. Doch der Aberglaube hält sich hartnäckig. Solange er es trage, bleibe „vielleicht ein neues Hochwasser aus“, hofft Roland Schneider.

23 Jahre stand der Stadtbrandmeister dem Dessauer Amt für Brand- und Katastrophenschutz vor. Heute, an seinem letzten Arbeitstag, wird er mit Freunden und Kollegen, vielleicht mit allen Chefs, die ihm in Dessau vorgesetzt waren, diese Zeit und die davor Revue passieren lassen. Kaum zu glauben, dass der 61-Jährige schon im Kindesalter für die Feuerwehr begeistert war und dann eine Bilderbuchkarriere daraus schmiedete.

Der Schaden ist erheblich

Der gebürtige Zörbiger ist mit elf Jahren Junger Brandschutzhelfer. Mit 16 darf er als ordentliches Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr Bitterfeld einen Stoppelbrand löschen. Mit 19 tritt er nach der Berufsausbildung mit Abitur in die Betriebsfeuerwehr des Chemiekombinates Bitterfeld ein. Drei Jahre später sitzt Schneider für vier weitere Jahre im Hörsaal der Technischen Universität „Otto von Guericke“ in Magdeburg. Er studiert in der Fachrichtung Brandschutz und wird Diplom-Ingenieur, der wiederum in der halleschen Bezirksbehörde der Feuerwehr ein gefragter Beruf ist. Nahezu alle Großbrände im Bezirk erlebt und bearbeitet er.

Beispielsweise auch den im Juni 1984 im Dessauer Waggonbau, als eine Halle abbrennt. Oder den im Juli 1988 im Elektromotorenwerk Dessau. Ein Spänebunker gerät in Brand. Die numerisch gesteuerten Drehautomaten ein Stockwerk darüber werden vernichtet. Der Schaden ist erheblich. 1,7 Millionen DDR-Mark gingen quasi in Flammen auf.

Lutz Kuhnhold wird zum 1. November dieses Jahres die Nachfolge von Roland Schneider antreten und dem städtischen Amt für Brand- und Katastrophenschutz vorstehen. Dies Entscheidung traf der Personal- und Hauptausschuss des Stadtrats bereits im Mai dieses Jahres.

Der 51-Jährige begann seine berufliche Laufbahn 1983 bei der Feuerwehr Wittenberg. Drei Jahre später folgte ein Studium zum Ingenieur für Brandschutz. In den Jahren 1989 und 90 arbeitete er bei der Feuerwehr Dessau als Sachbearbeiter vorbeugender Brandschutz, Wachabteilungsleiter (1990 bis 1991) und seitdem als Abteilungsleiter Abwehrender Brandschutz.

Lutz Kuhnhold ist verheiratet und hat zwei Söhne. Er ist im Landkreis Wittenberg zu Hause. Zu seinen Hobbys gehören Lesen, Tauchen und Gartenarbeit.   (age)

Roland Schneider hilft nach der politischen Wende zunächst für einige Wochen das Dezernat Brand- und Katastrophenschutz im Regierungsbezirk Dessau aufzubauen, als er sich entschließt, den Dienstherren zu wechseln. 23 Jahre ist das her, als ihn die Stadt Dessau zum Chef der Feuerwehr beruft. Unvorstellbar war wohl damals, welchen Herausforderungen er sich stellen muss. Feuer löschen ist das eine, Naturkatastrophen wie die beiden Extremhochwasser 2002 und 2013 oder der Orkan Kyrill und jener, der im September 2011 über dem Stadtgebiet wütete, das andere. „Wir hatten keine Vorstellungen, was uns erwartet, sahen die Bilder von Dresden und Grimma und wussten, dass die Hochwasser von Elbe und Mulde in 56 bzw. 38 Stunden die Stadt erreichen werden.“

„Wir kennen jede Senke“

Aus der Katastrophe 2002 werden Lehren gezogen, nicht nur den Deichbau betreffend. Ein Katastrophenschutzlager wird gebaut. Dessau lässt 25 mobile Deichscharten einlagern. Für sämtliche Einsatzabschnitte an beiden Flüssen werden Einsatzdokumente erarbeitet. Der Katastrophenschutzstab wird neu strukturiert und personell verstärkt. Alle Dokumente sind digitalisiert. Diese Arbeit hat sich bereits beim Hochwasser im Juni 2013 ausgezahlt. „Wir wissen, bei welchem Wasserstand der Mulde wir die Deichscharten in der Wasserstadt schließen müssen. Wir kennen jede Senke in der Ludwigshafener Straße dank der Zusammenarbeit mit dem Vermessungsamt. Wir wissen aber auch, dass das südliche Dessau beim Muldepegel von sechs Metern gefährdet ist“, sagt Schneider mit Blick auf das seit 2008 laufende Planfeststellungsverfahren für den Deichbau an den Möster Höhen. Noch immer ist das Bauvorhaben nicht umgesetzt.

Letzteres wird er vielleicht als Mitglied der Törtener Wasserwehr miterleben. Dort will er künftig sein Wissen einbringen. Der Feuerwehr bleibt der 61-Jährige ebenso treu - er wurde auf dem Feuerwehrball zum Ehrenmitglied des Stadtfeuerwehrverbandes ernannt - wie seinem Hobby.

850 Meter unter Tage

Roland Schneider hat sich nach der Hochwasserkatastrophe vor 12 Jahren seines sängerischen Talents besonnen und mimt beim Mitteldeutschen Carneval Club einen Stimmungsfinken. Ein Ausgleich zum harten Job, der ihn immer wieder gefordert hat und bei dem man Unglücken, Tod und Schicksalen nicht aus dem Wege gehen kann. Das prägendste Ereignis habe er 1987 erlebt. Im Kupferbergwerk Niederröblingen gerät 850 Meter unter Tage ein Förderband in Brand. Das Unglück forderte drei Menschenleben und hatte einen zweiwöchigen Grubenwehreinsatz zur Folge. Roland Schneider fährt später mit einer Pathologin in die Grube ein, birgt Leichenteile, um die Opfer identifizieren zu können. Der Feuerwehrmann trägt das Herz eines Bergmanns ans Licht. (mz)