Erster Schrittmacher für Darm implantiert
DESSAU/MZ/HTH. - Wie die Klinikleitung mitteilt, konnte die Frau nach einer erfolgreichen Therapie aus der stationären Behandlung entlassen werden.
Weitere Eingriffe dieser Art sind in Vorbereitung, denn nach ersten Veröffentlichungen meldete sich eine große Zahl von Interessenten bei den Proktologen des Krankenhauses, sagt Oberarzt Uwe Hänel. "Angefragt haben bei uns insbesondere Menschen, die nach Schlaganfällen und größeren Darmoperationen unter Folgeschäden leiden."
Auf solche Fälle spezialisiert ist die Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie des Diakonissenkrankenhauses mit dem Schwerpunkt Proktologie. Doch um den Schrittmacher einsetzen zu können, "ist eine ausführliche Diagnostik Voraussetzung", betont Hänel, der die erste Schrittmacher-Operation im Diakonissenkrankenhaus ausführte. Seien alle pathologischen Befunde beseitigt sowie alle Möglichkeiten zur Aktivierung der körpereigenen Ressourcen wie Ernährungsberatung, Physiotherapie und Elektrostimulation ausgeschöpft, werde - die Funktionsfähigkeit von Muskeln und Nerven vorausgesetzt - die Verwendung des Schrittmachers geprüft.
"Im besten Fall erspart der Schrittmacher dem Patienten einen künstlichen Darmausgang und ermöglicht es ihm, wieder am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen", erklärt der Oberarzt. "Inkontinenz ist therapierbar", weiß der Proktologe.
Das Verfahren des Darmschrittmachers folgt dem Prinzip des Herzschrittmachers. Bislang wird es von den Urologen des Diakonissenkrankenhauses zur Behandlung der Harninkontinenz erfolgreich angewandt. Wie Hänel erläutert, werde das Aggregat von der Größe eines Herzschrittmachers unter die Bauchhaut und die Elektroden im Kreuzbeinbereich, am Austritt der Nerven aus der Wirbelsäule, implantiert. Dort sorgen ständige elektrische Impulse für eine gesteigerte Aktivität des analen Schließmuskels.
Trotz der medizinischen Hilfsmöglichkeiten, "über kaum eine Krankheit wird so ungern geredet wie über Stuhlinkontinenz", weiß der Oberarzt. Denn die Scham der Patienten, ihr Leiden zu thematisieren, ist sehr groß. Daher gehen nicht nur die Spezialisten im Diakonissenkrankenhaus von einer enormen Dunkelziffer aus. Die Zahl der Betroffenen wird auf bis zu 1,5 Prozent aller Deutschen geschätzt, liegt also bei weit über einer Million Menschen.
Wie der Proktologe weiß, schränken die meisten Betroffenen ihren Alltag und ihre sozialen Kontakte stark ein. Insbesondere Frauen und ältere Menschen leiden an einer Inkontinenz. "Unsere Gesellschaft altert. Immer mehr Menschen werden also künftig dieses Problem haben", sagt Hänel. "Es ist unsere Pflicht, darauf vorbereitet zu sein und spezielle Hilfsangebote zu schaffen."