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Erste F13 landet in Kolumbien Erste F13 landet in Kolumbien: Dessaus Wirtschaft boomt 1920 nicht nur wegen Junkers

Von Helmut Erfurth 02.01.2021, 11:00
Eine Junkers F 13w mit der Kennung A-9 der SCADTA landet auf dem Rio Magdalena in Barranquilla.
Eine Junkers F 13w mit der Kennung A-9 der SCADTA landet auf dem Rio Magdalena in Barranquilla. Sammlung Erfurth

Dessau - Dessau, die fürstliche Residenz und spätere Landeshauptstadt des Herzogtums Anhalt, wurde 1918 nach der Novemberrevolution die Hauptstadt des Freistaates Anhalt. Wie ein Spiegel der Geschichte repräsentierte sich die Stadt. Zahlreich waren Palais und Schlösser im Gartenreich, im Zentrum stand das große Stadtschloss.

Das städtebauliche Ensemble um die Marienkirche, mit dem Kleinen und dem Großen Markt, mit den Kolonaden, auch „Buden“ genannt, war eine besondere Anlage. Die Altstadt inspirierte Künstler wie Kurt Pallmann zu seiner Radierung „Dezembertag“ aus dem Jahre 1920. Auch die prächtigen Bürgerbauten der Gründerzeit und des Jugendstil repräsentierten Wohlstand und strahlten Charme aus. Doch es entstand auch Neues.

Vorreiter für einen sozialorientierten genossenschaftlichen Wohnungsbau wurde Dessau ab 1919, als an der Stadtperipherie auf der Georgenbreite, heute Stadtteil Siedlung, der Bau von Siedlungen begann. Die Stadt als auch die Dessauer Industrie, wie die Firmen der Deutschen Continental-Gas-Gesellschaft und die Junkerswerke, erbrachten das erforderliche Stammkapital.

Das erweiterte Stadtbild zeigte sich 1920 wie ein Wechselspiel aus Wohnviertel mit schönen Platzanlagen

So entstand durch ein Architekten-Team unter der Leitung des Regierungsbaumeisters Theodor Overhoff und der Architektin Edith Dinkelmann ein großangelegtes Siedlungsprogramm. Bereits 1920 erfolgte die bezugsfertige Übergabe der Wohnbauten am „Achteck“, „Waldweg“, „Winkel“ und der „Hohen Lache“. Ein Junkers-Luftbild von 1923 zeigt diesen Siedlungsabschnitt mit der Gestaltung des Garten-Architekten Leberecht Migge.

Das erweiterte Stadtbild zeigte sich nun wie ein Wechselspiel aus Wohnviertel mit schönen Platzanlagen sowie Industrieanlagen. In westlicher Stadtrandlage befanden sich die Junkers-Firmen, Junkers & Co, der Junkers-Motorenbau und das Junkers-Flugzeugwerk. Die Luftbild-Fotografie zeigt den Flugzeug- und Motorenbau Anfang der 1920er Jahre. Der Name Prof. Hugo Junkers stand für technischen Fortschritt. Insbesondere der Junkers-Flugzeugbau machte die Stadt während der Weimarer Republik weltbekannt.

Die SCADTA, die Deutsch-Kolumbianische Luft-Transportgesellschaft, gilt als die älteste Fluggesellschaft auf dem amerikanischen Kontinent. Am 5. Dezember 1919 in Barranquilla (Kolumbien) gegründet, kaufte die Airline am 13. April 1920 in Dessau zwei Flugzeuge des Typs Junkers F 13, dem ersten Ganzmetall-Kabinen-Verkehrsflugzeug der Welt. Im Gegensatz zu den bis dahin in Holz gefertigten Flugzeugen war die F 13 eine Sensation.

Hugo Junkers erhoffte sich durch den Vertragsabschluss mit Kolumbien auch einen praktischen Erkenntnisgewinn

Nicht nur die Personenbeförderung wurde möglich, sondern auch der wirtschaftliche Frachtflug. Zudem waren die Maschinen klimaunabhängig einsetzbar, also auch tropenfest, besaßen ideale Eigenschaften und mit Schwimmern versehen, konnten sie die geografischen Gegebenheiten Kolumbiens mit seinem wasserreichen Flussverlauf des Rio Magdalena optimal ohne zusätzliche Infrastruktur nutzen.

Hugo Junkers erhoffte sich durch den Vertragsabschluss mit Kolumbien auch einen praktischen Erkenntnisgewinn. Die während der Flugeinsätze gewonnenen Erfahrungen sollten bei der Weiterentwicklung des Flugzeug-Typs ingenieurtechnisch genutzt werden. Daher stellte Junkers neben dem Wartungspersonal auch erfahrene Piloten zur Verfügung.

Nach Fertigstellung der beiden Flugzeuge für Kolumbien im Juni 1920 wurden sie frachtgerecht demontiert und in große Holzkisten verpackt und nach Barranquilla/Südamerika verschifft. Dort angekommen, begann am 6. August 1920 ihr Zusammenbau. Zwanzig Tage später erfolgten die ersten Flugversuche. So legte eine F 13 am 14. Oktober einen 1.200 kilometerlangen Nonstop-Flug von Barranquilla nach Cali zurück.

Mit 322 gebauten Exemplaren flog die F13 zwischen 1919 und 1930 weltweit in nahezu allen Ländern

Vier Tage später überflog die Maschine die Anden zwischen Chirardot und Cali in 5.237 Metern Höhe. Das sind zwei heute kaum bekannte Flugweltrekorde im zivilen Flugverkehr 1920.
Bereits ab 20. Oktober 1920 waren beide Junkers F 13 im Flugdienst Kolumbiens für den Güter-, Luftpost- und Personen-Verkehr eingesetzt. Flugplätze baute man nicht, denn mit einer Fluss-Länge von 1.538 Kilometern bot der Rio Magdalena eine Vielzahl von Start- und Landemöglichkeiten für die Junkers-Wasserflugzeuge.

Ein Problem stellte jedoch das Anfliegen von Bogotá dar, Kolumbiens Hauptstadt, die 2.600 Meter hoch in den Anden liegt. Aber auch das schaffte die F 13 und wurde dafür auf mehreren Briefmarkenausgaben geehrt.

Mit 322 gebauten Exemplaren flog die F13 zwischen 1919 und 1930 weltweit in nahezu allen Ländern und verhalf dem Flugzeugbau in Dessau binnen kurzer Zeit zu hohem internationalen Ansehen. Im Interesse der ständigen Verbesserung der Flugeigenschaften, des Komforts und vor allem der Sicherheit erfolgten im Laufe der Zeit an diesem Flugzeugtyp über 300 verschiedene technische Neuerungen und Veränderungen, die sich zum Beispiel auf Gewicht, Flächenleistung, Nutzlast, Steigvermögen und Reichweite bezogen, so dass die F 13 zwischen 1919 und 1930 in 15 verschiedenen Versionen gebaut wurden. (mz)