Ende von Pauly Biskuit Ende von Pauly Biskuit in Dessau: Ex-Finanzbuchhalterin erneut vor Gericht

Halle/Dessau - Vor dem Landgericht Halle hat am Mittwoch ein neuer Prozess gegen die ehemalige Finanzbuchhalterin der Pauly Biskuit AG begonnen.
Die inzwischen 41 Jahre alte und in Hessen lebende Frau war im Dezember 2014 wegen Untreue in 18 Fällen zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt worden, ausgesetzt zur Bewährung. Die Frau hatte zwischen Januar 2009 und Januar 2012 über 441 000 Euro von dem Firmenkonto des Dessauer Keksherstellers abgezweigt, um ihren teuren Lebensstil zu finanzieren. Drei Jahre später lautet der Vorwurf der halleschen Staatsanwaltschaft: Betrug in 17 Fällen und Urkundenfälschung.
Straftaten im Zusammenhang mit Rückzahlungen?
Geschehen sein sollen die Taten beim Versuch, einen Teil des veruntreuten Geldes zurückzuzahlen und damit einer Haftstrafe zu entkommen: Die Frau hatte bis zur Verurteilung im Dezember 2014 136 000 Euro an den Insolvenzverwalter der Pauly Biskuit AG überwiesen. Dieser Fakt und ihr umfassendes Geständnis, das das Verfahren vor der Wirtschaftsstrafkammer am Landgericht Halle erheblich abkürzte, führten damals zu dem vergleichsweise milden Urteil.
Die Anklageverlesung im Saal 169 das Landgerichts Halle dauerte am Mittwoch über eine Stunde. Insgesamt 18 Fälle listete Ralf-Peter Terstegen auf: Die 41-Jährige soll von einem Transportunternehmen über 35 000 Euro erhalten haben. Als Sicherheitskaution und als Vermittlungsprämie für Aufträge, die allerdings nie zustanden kamen. Die Frau soll zudem die Unterschrift ihres ehemaligen Lebensgefährten gefälscht haben, um ein Bausparkassen-Darlehen für die Modernisierung einer Eigentumswohnung in Sandersdorf-Brehna zu erhalten. 30 000 Euro flossen. Ohne dass etwas modernisiert wurde.
Frau bot sich als Vermittlerin beim Finanzamt an
In zwei Fällen soll sich die gelernte Bilanzbuchhalterin bei Firmenchefs als Vermittlerin gegenüber Finanzämtern engagiert haben - für teilweise erfundene Nachforderungen. Deshalb von den Firmenchefs getätigte Rückstellungen wurden von der Frau für Überweisungen an den Insolvenzverwalter der Pauly Biskuit AG genutzt. Allein dabei ging es um Summen von über 100 000 Euro. Dazu kamen Darlehen von Freunden und Bekannten, die alle sehr bereitwillig mit Geld halfen - mit teilweise extrem kurzen Rückzahlungsfristen, dafür aber hohen Zinsen, die die Frau aber auch selbst vorgeschlagen haben will. Aus einem 10 000-Euro-Überbrückungskredit wurde so eine Rückzahlungssumme von 15 000 Euro - nach sechs Tagen.
Ob die Frau bei all diesen Absprachen selbst noch den Überblick hatte, blieb offen. Fakt ist: Die Summen aus allen Vorwürfen addiert, ergeben sich klar mehr als die an den Insolvenzverwalter überwiesenen 136 000 Euro.
Angeklagte äußert sich zu den Vorwürfen
Vor dem Landgericht äußerte sich die 41-Jährige zu jedem Vorwurf, ohne dass letztlich immer für Klarheit gesorgt werden konnte. Einige Fälle räumte sie ein, andere schilderte sie anders, konnte sich aber bei vielen Fällen nicht mehr an Details erinnern. Zum größten Einzelfall - ein Reifenhändler aus Teutschenthal hat der Frau über 60 000 Euro überwiesen - will sich die Angeklagte erst später äußern.
Wer wann warum welches Geld bekommen hat: Es blieb zum Auftakt des Prozess der Eindruck eines kreativen Finanzmanagements, um mit aller Macht einer Haftstrafe zu entgehen. Was davon strafbar war, muss sich zeigen. Zehn Verhandlungstage hat die Wirtschaftsstrafkammer vorerst bis Ende November angesetzt. Ob das reicht, ist offen.
Der Verteidiger der Angeklagten rügte die Zusammensetzung der Kammer, forderte drei statt zwei Berufsrichter. Wegen der Umfänge des Falls - und weil zehn Verhandlungstage seiner Meinung nach nicht reichen. Die Kammer will darüber in den nächsten Tagen entscheiden. Vor Gericht kündigte der Verteidiger zudem an: Seine Mandantin sei willens und in der Lage, bei den Geldgebern eine „Vermögenswiedergutmachung“ zu leisten. Woher die Gelder kommen, ließ er offen. Einen Zusatz machte der Anwalt: „mit legalen Mitteln“.
Droht nun eine Haftstrafe?
Bei den beiden Richtern sorgte das für ein kurzes Schmunzeln - an einem sonst sehr ernsten Vormittag. Richter Helmut Tormöhlen („Wir kennen uns ja schon.“) hatte zum Auftakt eines deutlich gemacht: Es gebe einen hinreichenden Tatverdacht. Werde der bestätigt, werde man eine Gesamtstrafe bilden. Der ehemaligen Bilanzbuchhalterin droht nun doch eine Haftstrafe. (mz)