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Ende der Fahnenstange Ende der Fahnenstange: Anhaltisches Theater in Dessau hat keinen finanziellen Spielraum mehr

Von Kai Agthe 31.05.2018, 05:00
Das Anhaltische Theater Dessau ist ein kultureller Leuchtturm für Sachsen-Anhalt, aber trotz aller Sparmaßnahmen in finanzieller Bedrängnis.
Das Anhaltische Theater Dessau ist ein kultureller Leuchtturm für Sachsen-Anhalt, aber trotz aller Sparmaßnahmen in finanzieller Bedrängnis. Claudia Heysel

Dessau-Roßlau - Die neue Spielzeit wird am Anhaltischen Theater beginnen wie die aktuelle zu Ende geht: kreativ und kämpferisch. Die 224. Saison der traditionsreichen Dessauer Bühne startet im September mit einer Inszenierung von Henry Purcells Oper „King Arthur“. Weil es ein Werk ist - so Generalintendant Johannes Weigand und Verwaltungsdirektor Lutz Wengler im Grußwort des neuen Spielzeitheftes -, „das nur ein Theater aufführen kann, das über ein Schauspiel-, Opern- und Ballettensemble verfügt“.

Das Anhaltische Theater als Fünf-Sparten-Haus kann ein solch ehrgeiziges Projekt noch stemmen, obwohl der laufende Theatervertrag mit dem Land die Dessauer - ähnlich wie die Bühnen Halle und andere Theater in Sachsen-Anhalt - seit 2014 zu drastischen Sparmaßnahmen zwingt.

„42 Stellen wurden abgebaut und das Programm der extrem kleinen Sparten wurde an das Mögliche angepasst“, lassen Weigand und Wengler denn auch die Leser des neuen Spielzeitheftes wissen. Dennoch wird künstlerisch vorzügliche Arbeit geleistet, was die Theaterfreunde zu schätzen wissen: 163.000 Zuschauer konnten 2017 in dem Haus mit seinen 1.000 Plätzen begrüßt werden.

Drei Millionen Euro weniger für den Theaterbetrieb in Dessau

Anhand der personell stark geschrumpften Sparten zeigt sich jedoch, welche Opfer das Theater seit 2014 zu bringen hatte, um den Theatervertrag festgeschriebenen Sparzwängen - die aus der Reduzierung des Landeszuschusses von drei Millionen Euro pro Jahr resultierten - genügen zu können: Das Schauspiel-Ensemble musste im Zuge der Konsolidierung um die Hälfte verkleinert werden - von 16 Schauspielern sank die Zahl auf acht, was, wie in den anderen Sparten auch, zur Folge hat, dass personenintensive Stücke nicht mehr inszeniert werden können.

Auch Ballett (früher 14) und Oper (früher 12) verfügen nur noch über ein Rumpf-Ensemble von jeweils acht Akteuren. Bei Orchester (früher 76) und Chor (früher 36) mussten jeweils drei Stellen gestrichen werden. Allein das Puppentheater blieb personell von dem politisch verordneten Streichkonzert verschont: „Bei zwei Akteuren ist auch nichts mehr zu kürzen“, sagt Weigand mit einem Anflug von Sarkasmus.

Darüber hinaus verzichteten alle 300 Mitarbeiter des Theaters auf zehn Prozent Gehalt. „Das war explizit für den Erhalt aller fünf Sparten gedacht“, erklärt Verwaltungsdirektor Wengler. Deshalb wäre es auch ein Trugschluss zu glauben, man könne noch mehr sparen, wenn man eine Sparte kurzerhand schließt.

Das Anhaltische Theater hat alle vom Land gemachten Spar-Vorgaben erfüllt

Das Gegenteil wäre der Fall: Wollte man auf einen Bereich verzichten, wäre das Theater vertraglich gezwungen, den Mitarbeitern wieder 100 Prozent Gehalt zu zahlen, was zur Insolvenz der Bühne führen würde. „Dass sich alle Mitarbeiter mit 90 Prozent ihrer Bezüge zufrieden geben und, bedingt durch den Wegfall von Planstellen, gleichzeitig mehr leisten, zeugt von der Solidarität der Menschen an unserem Theater“, sagt Wengler mit erkennbarem Stolz auf alle Akteure auf und hinter der Bühne.

Das Anhaltische Theater habe zwar alle vom Land gemachten Spar-Vorgaben erfüllt, dennoch habe das keine Entlastung gebracht. Im Gegenteil: Steigende Personal- und Sachkosten, die sich ohne Zutun des Theaters erhöhen, werden dafür sorgen, dass das Defizit der Bühne in diesem Jahr 570.000 Euro beitragen werde.

„Die Einnahmen an der Kasse lassen sich nicht weiter erhöhen. Bleibt der Zuschuss. Denn höhere Kosten ohne erhöhten Zuschuss bedeuten Personalabbau oder weniger Produktionen. Genau das kann das Anhaltische Theater nicht mehr leisten, ohne seine Mehrspartenstruktur aufzugeben“, so Weigand und Wengler. Auch das ist im Heft für die neue Spielzeit zu lesen - und als Aufforderung an das Land zu verstehen, seinen Beitrag zu leisten, um diese Struktur zu erhalten.

Wenn ein Akteur ausfällt, muss die Vorstellung abgesagt werden

Finanziell und personell sei für das Theater das Ende der Fahnenstange erreicht: B-Besetzungen für Inszenierungen sind wegen der angespannten Personalsituation nicht mehr möglich. Wenn ein Akteur ausfällt, muss die Vorstellung abgesagt werden. Der Chor des Anhaltischen Theaters dürfte auch der einzige in der Bundesrepublik sein, der sich selbst schminken muss, weil die verbliebenen Maskenbildner die Arbeit nicht leisten können, sagt Johannes Weigand. Und die letzte verbliebene Theaterpädagogin muss sich, neben anderen Verpflichtungen, um 13 Partnerschulen kümmern.

Derzeit wird zwischen den Trägern der Theater in Sachsen-Anhalt und dem Kulturministerium in Magdeburg ein neuer Vertrag ausgehandelt, der die Finanzierung der Theater für die kommenden fünf Jahre regeln soll. Kulturminister Rainer Robra (CDU) wolle die diesbezüglichen Verhandlungen bis zur parlamentarischen Sommerpause abgeschlossen haben, heißt es.

Lutz Wengler gibt zu bedenken, dass es sinnvoll wäre, die Laufzeit der Theaterverträge zu verlängern

Für Dessaus Verwaltungsdirektor scheint die verbleibende Zeit knapp bemessen. Aber wenn es hilft, für das Anhaltische Theater und die anderen Bühnen im Land finanziell und personell Planungssicherheit zu schaffen, habe er nichts gegen eine zügige Neufassung der Theaterverträge mit dem Land einzuwenden.

Lutz Wengler gibt jedoch auch zu bedenken, dass es sinnvoll wäre, die Laufzeit der Theaterverträge deutlich zu verlängern: „Zehn statt fünf Jahre könnten bei allen Beteiligten für erhebliche Entspannung sorgen.“ (mz)

Mit der Aktion „5 vor 12“ protestierten Theaterfreunde in Sachsen-Anhalt 2013 gegen die Sparbeschlüsse des Landes bei den Theatern. Fünf Jahre später ist es auch beim Anhaltischen Theater wieder 5 vor 12.
Mit der Aktion „5 vor 12“ protestierten Theaterfreunde in Sachsen-Anhalt 2013 gegen die Sparbeschlüsse des Landes bei den Theatern. Fünf Jahre später ist es auch beim Anhaltischen Theater wieder 5 vor 12.
Alexander Baumbach