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„Dann heirate doch die Burg“ Die Mittwochs-Brigade hält die Roßlauer Burg in Schuss

Das Wahrzeichen Roßlaus steht „Am Schlossgarten 18“. Dort sorgt die Mittwochs-Brigade dafür, dass das historische Gebäude in Schuss gebracht wird.

Von Annette Gens 25.12.2021, 14:00
Otto-Günter Döhler, Günter Tuchen, Dieter Janicke und Torsten  Vollert gehören zur Mittwochs-Brigade der Wasserburg.
Otto-Günter Döhler, Günter Tuchen, Dieter Janicke und Torsten Vollert gehören zur Mittwochs-Brigade der Wasserburg. (Foto: Thomas Ruttke)

Roßlau/MZ - Es ist nur ein kleines, unscheinbares Schildchen am Eingang zur Roßlauer Burg. Einheimischen fällt es meist gar nicht mehr ins Auge. Doch Auswärtige lässt es aufhorchen. Es zeigt das Konterfei eines weltweit bekannten Mannes. Martin Luther, so steht geschrieben, war hier. Nein, nicht an Weihnachten und nicht im Advent! Aber in wichtiger und einmal in delikater Mission.

Der Reformator sollte einen Ehestreit im Hause Anhalt schlichten. Die Sache ging gut, die Vernunft siegte. Und die brandenburgische Prinzessin Margaretha, Ehefrau des Fürsten Johann IV. von Anhalt, kehrte zurück aus ihrem vorübergehenden Domizil auf der Roßlauer Wasserburg hin ins Dessauer Stadtschloss.

Die Männer, die mit der Burg „verheiratet“ sind

Fast 500 Jahre liegen zwischen dem Ehestreit-Schlichtungsversuch Martin Luthers auf der rund 900 Jahre alten Burg Roßlau - Adresse „Am Schlossgarten 18“ - und dem Hier und Jetzt. Die Gegenwart ist an jedem Mittwoch Woche für Woche von einer Handvoll Männern dominiert. Mindestens einer hat sich wegen seiner Abwesenheit vom eigenen Haus und Hof im Scherz schon sagen lassen müssen, „dann heirate doch deine Burg!“.

Die Männer, die mit der Burg „verheiratet“ sind, sind eine eingeschworene Truppe, sie nennt sich Mittwochs-Brigade. So unterschiedlich im Charakter und in ihren Ansichten und Lebenserfahrungen, haben sie ein Ziel. Sie wollen die Wasserburg weiterentwickeln. Und allen ist bewusst: Es gibt auf der Burg genügend zu tun. „Hier wartet Arbeit für 500 Jahre“, scherzt etwa „Brigademitglied“ Otto-Günter Döhler.

Sie haben es nach 20 Jahren Fördervereinsgeschichte auch geschafft, endlich einmal an sich selbst zu denken

In diesem Jahr können die Mitglieder des Fördervereins Roßlauer Wasserburg, allen voran Dieter Janicke, Otto-Günter Döhler, Günter Tuchen, Gerhard Steinbach, Torsten Vollert und Volker Lendewig, zufrieden mit dem sein, was geschafft wurde. Denn den Eingang zur Wasserburg haben sie jüngst mit historischem Putz samt Leinöl und Kälberhaaren saniert, so dass die Besucher würdig empfangen werden.

Sie haben es nach 20 Jahren Fördervereinsgeschichte auch geschafft, endlich einmal an sich selbst zu denken. Schlicht aber fein hergerichtet wurde 2021 ein Vereinsraum. Seit wenigen Tagen hat das Dach des ehemaligen Milchkellers, der als Fledermaus-Quartier genutzt wird, ein grünes Dach bekommen. Von der 12.000 Euro teuren Investition haben die Fördervereinsmitglieder mehr als 6.000 beigesteuert.

Endlich hat der Förderverein auf der Burg ein Vereinszimmer.
Endlich hat der Förderverein auf der Burg ein Vereinszimmer.
(Foto: Ruttke)

„Wir suchen dringend Mitstreiter“

Wer sind die Männer, die jede Woche einmal freiwillig und ohne Geld im historischen Burggelände arbeiten? Lendewig treibt das Interesse an Mittelaltergeschichte und an alten Steinen an. Vor zwölf Jahren hatte er angeklopft beim Verein, ein Jahr später war er im Vereinsvorstand aufgenommen worden, seit vier Jahren ist er Vorsitzender. „Das Herzstück des Vereins ist unsere Mittwochs-Brigade, ohne die die Sanierung der Burg nicht so weit fortgeschritten wäre.“ Die Männer arbeiten unter Anleitung des Denkmalschutzes, scheuen sich vor keiner Herausforderung und manchmal untertreiben sie ein bisschen.

So wie zum Beispiel Dieter Janicke. Der ehemalige Maschinenbauingenieur scherzt, man habe auf der „Burg gern Handlanger“. Der Allrounder schraubt, sägt, malert, was eben getan werden muss. Für ihn wie andere ist die körperliche Betätigung entscheidend.

Günter Tuchen kommentiert das: „Wer rastet, der rostet.“ Tuchen war vor Jahren über einen Plausch beim Schifferfest zur Brigade gekommen. Torsten Vollert, der Wirt der Ritterklause, ist geschichtsinteressiert und arbeitet mit. „Über die Burg ist längst noch nicht alles erforscht“, meint er.

Die Mittwochs-Brigade ist eine eingeschworene Truppe, allerdings sehen die Mitglieder einen Mangel: Fast alle sind im Rentenalter. „Wir suchen dringend Mitstreiter“, sagte Lendewig.