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Diamantene Hochzeit Diamantene Hochzeit: Schutzengel an der Seite

Von Hans-Peter Berth 28.01.2003, 16:19

Dessau/MZ. - Für beide ist der Ehepartner die erste und einzige große Liebe. Und immer noch ein Herz und eine Seele - das zeigt nicht nur der flüchtige Eindruck, das unterstreichen Angehörige. Dennoch hing am seidenen Faden, dass das Paar überhaupt heiraten konnte.

Die glückliche Fügung in einer höchst verzwickten Situation lag ausgerechnet darin, dass Horst Kohlheim, der den Krieg von Anfang an mitmachen musste, erkrankte. Mit Gelbsucht war er kampfunfähig geworden. Damals im November 1942 in der Schlacht um Stalingrad. Unversehrt kam das Sanitätsauto zum 80 Kilometer entfernten Hauptverbandsplatz durch. "Wir wurden von allen Seiten beschossen", erzählt Kohlheim, der dann bangen musste, auch noch einen Platz im Sanitätszug abzukommen.

Wie sich später herausstellte, war es der letzte, der aus dem immer enger werdenden Stalingrader Kessel fuhr. 18 Tage lang waren die Kranken und Verwundeten auf Achse. Die Fahrt endete in Koblenz, wo ihn die Liebste im Lazarett besuchte. Ab Weihnachten 1942 konnte sich Kohlheim zu Hause in Sachsenhausen auskurieren.

Am 29. Januar 1943 wurde standesamtlich geheiratet. Einen Tag vorher wurden sie kirchlich getraut. Der Umstand, dass der Standesbeamte beim Bombenangriff verletzt worden war und für ihn nicht rechtzeitig Ersatz beschafft werden konnte, erklärt das Prozedere. Kurz nach der Hochzeit musste der Bräutigam in den Krieg zurück. Weil Stalingrad dicht war, wurde er zu einer Ersatzeinheit nach Frankreich abkommandiert. "Von einem Kessel in den anderen", bewertet Kohlheim den Wechsel der Kriegsschauplätze und erzählt, wie ebenfalls an der Westfront erbittert gekämpft wurde. Es ging überall um Leben oder Tod.

Aber wieder und wieder hatte Kohlheim seinen Schutzengel. War dieser seine Frau? So auch im September 1943. Versprengt waren sie und eingezingelt von französischen Partisanen. Kohlheim lag unterm Stroh versteckt, und die Partisanen suchten es mit dem Seitengewehr ab. Zwar entging er einem möglicherweise tödlichen Stich, doch kurze Zeit später standen er und seine Kameraden zum Erschießen an der Mauer. Im letzten Moment tauchte ein Panzer auf.

Das Wunder war zwar nicht völlig perfekt - es war nicht, wie erhofft, ein deutscher Panzer, sondern ein englischer. Aber die Tommys verhinderten den "kurzen Prozess" und machten die Deutschen zu ihren Kriegsgefangenen. Wieder einmal Glück im Unglück.

Erst im Juni 1947 sahen sich Hildegard und Horst Kohlheim wieder, das erste Mal seit der Hochzeit. 1948 wurde die Tochter geboren, drei Jahre später der Sohn. Den hatte es schon zu DDR-Zeiten berufsbedingt nach Dessau verschlagen.

Als der mit seiner Familie vor fünf Jahren in einen Neubau in die Kornhausstraße gezogen war, überlegten Hildegard und Horst Kohlheim nicht lange, verließen Sachsenhausen und zogen ins Nachbarhaus. Gegenüber wohnt Enkelin Anita. Kaum nach Dessau umgesiedelt, erkrankte Horst Kohlheim lebensgefährlich. Doch glücklicherweise kehrte er ein weiteres Mal zur Frau zurück.

Nach ihren Wünschen befragt, antwortet Hildegard Kohlheim spontan: "Bloß keinen Krieg und keine Fliegeralarme mehr." Ihr Mann stimmt voll zu.