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Dessauer Nahverkehr Dessauer Nahverkehr: Fahrt in die Geschichte

Von Danny Gitter 17.05.2015, 16:55
Schon die Fahrkartenausgabe war ein Erlebnis.
Schon die Fahrkartenausgabe war ein Erlebnis. SEBAStIAN Lizenz

Dessau - „Junkers und das Bauhaus - vom Logo bis zur Wohnsiedlung“: Vor einigen Jahren war das mal ein Schulvortrag, den Dirk Edelmann vor seiner Klasse in Dessau gehalten hat. Für den Sonnabend kramte der angehende Straßenbahnfahrer, der derzeit eine Ausbildung bei den Leipziger Verkehrsbetrieben macht, die alten Unterlagen noch einmal vor. Edelmann und seine beiden Mitstreiter Markus Pannicke und Niklas Grigo hatten zur ersten Themenfahrt von „Dessauer-Nahverkehr“ geladen. Sonnabend, 14 Uhr, ging es am Gleis 1 los, wo sonst die Straßenbahnlinien 1 und 4 starten.

Extra gedruckte Fahrkarten

Doch weil die Themenfahrt etwas ganz Besonderes werden sollte, ließen die drei jungen Männer den historischen Aufbautriebwagen TW 30 für die 16 Gäste vorfahren. Da wurde schon der Einstieg mit der Ausgabe von extra gedruckten Fahrkarten und Barzahlung beim Empfang zum Erlebnis.

Der Brauchtumspflege des Dessauer Nahverkehrs haben sich die drei jungen Enthusiasten verschrieben. Das Interesse kommt nicht von ungefähr. Grigo macht nächstes Jahr seinen erweiterten Realschulabschluss und möchte dann unbedingt eine Ausbildung zum Mechatroniker bei der Dessauer Verkehrsgesellschaft machen. Pannicke arbeitet als Mechatroniker bereits bei der DB-Fahrzeuginstandhaltung. „Straßenbahnfahren liegt bei uns in der Familie“, erzählt Edelmann von seiner nicht ganz zufälligen Berufswahl. Sein Vater arbeitet bereits in Dessau in diesem Beruf.

Die Initiative „Dessauer-Nahverkehr.de“ samt dazugehörender Homepage wurde von Dirk Edelmann ins Leben gerufen. Zusammen mit Markus Pannicke und Niklas Grigo informiert der angehende Straßenbahnfahrer auf der Homepage über das Dessauer Liniennetz und die Geschichte des Dessauer Nahverkehrs. Darüber hinaus werden auch viele Fotos zu historischen und aktuellen Fahrzeugen gelistet. Ein wichtiges Ziel ist auch die Brauchtumspflege des historischen Öffentlichen Personennahverkehrs.

Ein neues Vorhaben, das am Sonnabend Premiere hatte, sind die Themenfahrten. Jeweils einmal im Monat werden Fahrten mit historischen Fahrzeugen und einer thematischen Führung angeboten. Die nächste Fahrt findet am 13. Juni statt. Das Thema lautet „Rüstungsstadt Dessau im 2. Weltkrieg - Aufbau der Gau-Hauptstadt für Anhalt-Magdeburg“. Karten sind für acht Euro und ermäßigt (Kinder bis 16 Jahre ) für fünf Euro unter [email protected] zu reservieren und werden dann vor Ort ausgegeben.  

Um die Öffentlichkeit noch mehr als bisher auf „Dessauer-Nahverkehr“ aufmerksam zu machen, hat der 23-Jährige zusammen mit seinen Mitstreitern die Themenfahrten ins Leben gerufen. Von Mai bis September wollen sie jeweils einmal im Monat in besonderen Fahrzeugen der Dessauer Verkehrsgesellschaft den Doppelstädtern und ihren Gästen mit wechselnden Themen ihre Stadt auf besondere Weise nahe bringen.

Bei der Premiere ging es vom Bahnhof über die Museumskreuzung zum Junkerspark, zurück in die Stadt zur Endhaltestelle Tempelhofer Straße und dann wieder zum Bahnhof. Eine Strecke, die Holger Steuer im Fahrerhaus des TW 30 nicht unbekannt ist. Schließlich fahren er und seine Kollegen jedes Adventswochenende die Route mit dem historischen Gefährt.

Joystick als wichtigstes Arbeitsinstrument

Steuer hat in den 1970er Jahren extra einen Oldtimerführerschein gemacht und leitet schon seit langem hauptberuflich die Werkstatt der Dessauer Verkehrsbetriebe. Die Fahrten mit dem TW 30 sind aber noch immer ganz besondere Betriebsausflüge für ihn. Da quietscht es am „Quietscheck“ noch richtig. Da muss unter anderem an der Museumskreuzung noch an der Ampel ausgestiegen und der Schlüssel umgedreht werden, damit man freie Fahrt bekommt. „Die modernen Niederflurbahnen haben dafür ihren elektronischen Co-Piloten“, erzählt der Werkstattleiter. Da sitzen die Fahrer in ihren gepolsterten Sitzen. Elektronik nimmt ihnen viel Arbeit ab. Ein Joystick ist das wichtigste Arbeitsinstrument.

Ganz anders bei der historischen Bahn. Da steht der Fahrer noch in seiner Kabine. Da muss er ordentlich kurbeln und drehen, um zu beschleunigen und zu bremsen. „Das ist Fahren unter erschwerten Bedingungen, was aber unheimlich Spaß macht“, erzählt Steuer, während Edelmann die Passagiere mit vielen Informationen zu Gebäuden und Brachflächen entlang der Strecke versorgt. Rodebilleviertel, Gasgerätewerk, Junkalor und das Handwerkerviertel hätte es ohne Junkers nicht gegeben. Historisches Arbeitsamt, Laubenganghäuser und die Siedlung Törten wären ohne das Bauhaus und ihre Architekten kaum vorstellbar. Die Fahrgäste lauschen aufmerksam und stören sich nicht am mangelnden Komfort. Auf Holzsitzen und Bänken zuckelt und ruckelt es in eindreiviertel Stunden quer durch die Stadt. Erinnerungsfotos werden geschossen. Die Stimmung ist gut. „Es macht die Leute happy, dieses authentische Fahrerlebnis zu haben“, sagt Steuer. Zum Schluss gibt es Applaus. „Mit diesem Auftakt können wir zufrieden sein“, blickt Edelmann. Die nächsten Fahrten sind schon in Vorbereitung. (mz)