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Dessau-Roßlau Dessau-Roßlau: Staunen über sich selbst

Von SYLKE KAUFHOLD 21.11.2011, 17:48

DESSAU/MZ. - Über sich selbst habe sie vorher nie nachgedacht, sagt Dajana. "Aber ich habe auch nicht wirklich an mich geglaubt". Das hat sich geändert.

Heute weiß die Siebentklässlerin, dass auch sie Stärken hat und Gutes macht. "Ich kann helfen und weiß, dass andere meine Hilfe annehmen", berichtet die Schülerin der Friedensschule stolz. Zu verdanken haben Dajana und ihre Klassenkameraden ihre Erkenntnisse über sich selbst einem Projekt der Initiative "Lernen vor Ort", das in Vorbereitung der Berufsorientierung in ihrer Klasse als erste in Dessau-Roßlau durchgeführt wurde. Das Nachdenken über sich selbst, über Freizeit, Freunde, Familie, besondere Interessen steht dabei im Mittelpunkt. Am Ende entsteht ein so genannter Profilpass, der die Stärken, Schwächen und besonderen Fähigkeiten der Kinder aufzeigt.

Bei Dajana und ihren Klassenkameraden, die den Profilpass in der 6. Klasse erarbeitet haben, hat der Prozess für so manchen Aha-Effekt gesorgt. "Ich hätte nicht gedacht, dass mich die anderen als sehr schlau und zielstrebig sehen", sagt beispielsweise Nick Hennig. "Ich selbst sehe mich gar nicht so." Und Annabell gesteht, dass sie erstmal ganz schön geschluckt habe, als ihre Freunde sie als aufbrausend und zickig darstellten. "So eine Schwäche zuzugeben ist gar nicht so einfach", sagt sie, "aber jetzt weiß ich es und versuche es abzustellen."

Aus ihren herausgearbeiteten Stärken wie "gut am PC, gut im Lesen, hilfsbereit" hat sich Annabell auch schon eine mögliche Berufsrichtung überlegt. "Verwaltungsfachangestellte könnte ich mir vorstellen, da braucht man ja solche Eigenschaften." Auch Dajana hat nach der Profilpass-Erstellung nicht nur ein viel klareres Bild über sich selbst, sondern auch schon ziemlich klare Vorstellungen über ihre berufliche Zukunft. "Ich habe den sozialen Bereich für mich entdeckt", sagt sie, "Physiotherapeutin oder Erzieherin."

Erarbeitet haben die Schüler ihren Profilpass mit Jacqueline Dräger und Anja Prillwitz, Bildungsberaterinnen bei "Lernen vor Ort". "Es hat auch uns sehr viel Spaß gemacht, denn die Kinder waren sehr offen und haben aktiv mitgemacht." Ein halbes Jahr lang kamen die beiden einmal in der Woche in die Klasse. "Es war richtig schön zu sehen, wie die Kinder im Laufe der Zeit auftauten und am Ende viel selbstbewusster waren", so Jacqueline Dräger.

Sehr angetan von dem Projekt ist auch Matthias Palmer, Vater von Josef. "Die eigenen Stärken und besonders die Schwächen zu erkennen ist nicht leicht. Da hilft der Profilpass sehr", meint er und findet es aber wichtig, dass an dieser Stelle nicht aufgehört wird."

Ans Aufhören ist auch überhaupt nicht gedacht. Im Gegenteil. Mit dem Profilpass fängt eigentlich alles erst an. "Der Profilpass ist ein sehr guter Einstieg in die Berufsorientierung", schätzt Claudia Mattick, Berufsberatungslehrerin der Friedensschule das Modellprojekt ein. "Die Kinder sind in der 6. Klasse sehr offen für solche Dinge und das Wissen um die eigene Person ist ja sehr wichtig für die Berufsentscheidung."

Mit ihrem Profilpass werden die Siebentklässler der Friedensschule jetzt aktiv in die Berufsorientierung einsteigen. Das Brafo-Projekt (Berufswahl richtig angehen - frühzeitig orientieren) der Agentur für Arbeit steht dabei im Mittelpunkt. Ab der achten Klasse sollen Praktika bei der Orientierung helfen. Ganz am Ende der Berufsorientierungsphase gibt es dann einen gut gefüllten Berufswahlpass, in dem Praktika, Veranstaltungen und Gespräche festgehalten sind. Und der Profilpass wird Bestandteil dieses Berufswahlpasses sein. "Damit haben die Schüler eine aussagefähige Grundlage, wenn sie sich für eine Lehrstelle bewerben", denkt Jacqueline Dräger.

Bisher erarbeiteten Schüler der Friedens- und der Zoberbergschule einen Profilpass. Aufgrund der überaus positiven Erfahrungen hat der Berufsorientierungsbeirat der Arbeitsagentur beschlossen, künftig an allen fünf Dessau-Roßlauer Sekundarschulen in Klasse 6 mit dem Profilpass in die Berufsorientierung zu starten.