Dessau-Roßlau Dessau-Roßlau: Stadt verbietet Autokorso nach EM-Spielen
Dessau/MZ. - Die Liste der Vergehen ist lang. Fahren auf drei Spuren und auf Gehwegen. Nichtbeachten von roten Ampeln. Behinderung von Gegenverkehr. Pöbeleien. Fahren unter Alkoholeinfluss. Missachten von Umleitungen an Baustellen. Im Kofferraum und auf Motorhauben sitzende Personen. Fahren mit Warnblinklicht und mit blauen Rundumleuchten.
Blockade in der Lohmann-Straße
Auf 15 Verstöße gegen die Straßenverkehrsordnung summiert sich das, was die Polizei am Sonnabend beim Dessauer Autocorso nach dem knappen 1:0-Sieg der deutschen Nationalmannschaft gegen Portugal beobachtet hat. Als gegen 0.50 Uhr etwa 60 Fahrzeuge die komplette Willy-Lohmann-Straße blockierten, brachen die Beamten den Autocorso ab. "Das hat den Straftatbestand der Nötigung erfüllt", sagte Ralf Moritz, Sprecher der Polizeidirektion Ost. "Wir mussten eingreifen."
Der Abbruch hatte Folgen: Am Montagabend widerrief das Ordnungsamt der Stadt Dessau-Roßlau die bis zum 1. Juli erteilte Erlaubnis zur "Sondernutzung öffentlicher Verkehrsflächen". Die braucht ein angemeldeter Autocorso. Der für Mittwoch nach dem Spiel Deutschland gegen Holland geplante zweite Autocorso muss damit ebenso ausfallen, wie die Jubelfahrt am Sonntag nach dem deutschen Vorrundenspiel gegen Dänemark.
Das Verbot hat für heftige Aufregung und deutschlandweite Schlagzeilen gesorgt. RTL, MDR, DPA: In der Pressestelle der Stadtverwaltung stand das Telefon kaum still. "Der Autokorso war unter Auflagen genehmigt worden", sagte Stadtsprecher Carsten Sauer. "Gegen die wurde massiv verstoßen. Es gab da keine andere Wahl."
Vor allem bei Facebook schlugen aber die Emotionen hoch, wurde die Entscheidung heftig diskutiert. "Wir haben versucht etwas zu legalisieren, was immer stattgefunden hat", erklärte ein enttäuschter Ramon Peters von den Corsofreunden Dessau. Die hatten sich im Jahr 2008 gegründet und die bis dahin spontanen EM- und WM-Jubelfeier institutionalisiert und professionalisiert. Stets in Abstimmung mit Ordnungsamt und Polizei. Doch am Sonnabend ging einiges schief.
"Die Veranstalter waren nicht mehr in der Lage, die Veranstaltung wie angemeldet und ordnungsgemäß durchzuführen", erklärte Moritz. Peters von den Corsofreunden will das so nicht stehen lassen. Man habe mit 70, 80 Autos gerechnet. Als es immer mehr wurden, habe er die Polizei informiert. "Uns war ein Führungsfahrzeug zugesagt worden", erklärte der Dessauer. Das sei nicht gekommen. "Man hat einfach zu wenig mit uns geredet." Peters bestritt nicht, dass es am Sonnabend Vorfälle und Verstöße gegen die Straßenverkehrsordnung gegeben. "Es gibt immer ein paar, die ausscheren", erklärte der Corso-Fan. "Wo wir konnten, haben wir Einfluss genommen." Überall sei das nicht gelungen. Eine Blockade der Lohmann-Straße bestritt der Dessauer. "Es war anders. Doch: Die Polizei hat immer recht."
Unklar blieb am Dienstag auch, ob es einen schweren Unfall gegeben hat. Die Corsofreunde selbst hatten am Sonntag auf ihrer Facebook-Seite von einem Auffahrunfall berichtet, bei dem einem Mann, der in einem offenen Kofferraum gesessen hatte, beide Beine gebrochen wurden. Am Montag wurde die eigene Meldung dementiert.
Unfall bleibt ein Rätsel
"Es gibt weder einen Unfallanzeige noch die Anzeige einer fahrlässigen Körperverletzung", erklärte Moritz. Die Polizei habe davon auch nur in den sozialen Netzwerken erfahren. Recherchen seien ergebnislos geblieben. Ermittlungen wurden nicht eingeleitet. "Eine fahrlässige Körperverletzung ist ein Antragsdelikt. Wenn sich kein Betroffener meldet, können wir da nichts tun", erklärte Moritz, der allerdings nicht ausschließen wollte, "dass da trotzdem etwas passiert ist". Gerüchte, dass die Unfallbeteiligten betrunken waren und genau deshalb der Unfall vertuscht wurde, konnte Moritz nicht bestätigen.
Offen ist, was am Mittwoch passierte. "Ich glaube, dass die Autos wieder zum August-Bebel-Platz kommen. Das ist seit 2006 Tradition", sagt Peters. "Wir werden mit verstärkten Kräften vor Ort präsent sein", kündigte Moritz an. Und durchgreifen? "Es wird im Einzelfall geprüft, was toleriert werden kann." Eine zweiter kompletter Autocorso sicher nicht.