Dessau-Roßlau Dessau-Roßlau: Skandal um Kulturkaufhaus, «der zum Himmel schreit»
ROSSLAU/MZ. - Da erbebte förmlich ein Vulkan, als die Direktorin der Anhaltischen Landesbibliothek zum aktuellen Sachstand beim Ausbau vom "Kulturkaufhaus" in der Hauptstraße informierte.
Auf Gabriele Schneider prallte dabei eine Welle der Entrüstung, die sie persönlich weder verantwortet noch verdient. Denn die Botschaft ist unterm Strich doch eine gute: "Vorsichtig optimistisch will ich sagen, dass wir im Sommer vor Ort sein werden." Wie ein Silberstreif am Horizont zeichnet sich der lang ersehnte, durch Bauverzug nach zwei harten Winter immer wieder nach hinten gerückte Umzug der Bibliothek aus der Süd- in die Hauptstraße ab. Der Umbau des einstigen Konsum-Kaufhauses im Herzen der Altstadt zur modernen Kulturstätte ist inzwischen auch von Passanten zu beobachten. "Das wird etwas wirklich Schönes und nichts erinnert mehr an den dunklen Kaufhausschlauch", freut sich die Direktorin.
Aber sie sagt eben auch den einen Satz, der ein Pulverfass in die Luft jagt: "Die Innenausstattung plant jetzt ohne 'Stadtinformation'." Nach monatelanger Funkstille zwischen Kulturamt und Wirtschaftsförderung, die auch die mehrfache Intervention von Ortsbürgermeisterin Christa Müller (CDU) nicht brechen konnte, war der Bibliotheksdirektorin knapp beschieden worden: "Ohne Stadtinformation." "Was hier läuft, das ist ein Skandal, der zum Himmel schreit." Am lautesten machte Klaus Tonndorf seiner Empörung Luft. Er sitzt in Personalunion für das Neue Forum im Roßlauer Ortschaftsrat und im Stadtrat Dessau-Roßlau. Und in beiden Häusern sei der Umzug von Bibliothek und Stadtinformation, die über Jahrzehnte nebeneinander und gemeinsam in der Südstraße wirkten, von Anfang an im Paket betrachtet worden. Abgesegnet und beschlossen mit dem Votum des Stadtrates im Jahr 2008. Jetzt werde der Wille demokratisch gewählter Vertreter mit den Füßen getreten und "13 000 Roßlauer Bürger einfach abgehängt". Auch Christa Müller ist fassungslos über die Art und Weise, wie hier Beschlüsse ausgehebelt werden. So hatte die Ortsbürgermeisterin beim letztmöglichen Kontakt zum Wirtschaftsförderungsamt im Herbst über die Stadtinformation gesprochen. "Da wurde von Amts wegen aber einzig die Notwendigkeit veränderter Öffnungszeiten thematisiert. Der Umzug selbst stand außer Frage."
Wie dringend und wichtig die Stadtinformation für Roßlau sei, betonte Hannelore Sauermilch und versuchte, die ausufernden Emotionen wieder einzufangen. "Viele Besucher fragen hier zuallererst nach Weg und Quartier." Sein Entsetzen fasst Jörn von der Heydt in böse Ironie: "Warum reden wir eigentlich noch vom Kulturkaufhaus?" Denn auch die Vereine interessieren sich mit zunehmendem Baufortschritt immer mehr für den Standort. Hatten aber bei einer dezidierten Anfrage 2008 / 09 aus dem Kulturamt unter Maßgabe anteiliger Mietkostenbeteiligung keinen Raumbedarf angemeldet. "Wir haben daraufhin und mit Blick auf die Kosten das Dachgeschoss nicht ausbauen lassen. Und ich muss ehrlich sagen: Jetzt ist es zu spät." Gabriele Schneider packt tapfer das nächste heiße Eisen an.
Der Ortschaftsrat folgt einhellig dem Ratschlag von Silvia Koschig (Neues Forum): Ortsbürgermeisterin Christa Müller und Peter Schwarzbach, Amtsleiter Gebietsangelegenheiten, suchen schnellstmöglichen Kontakt zu den Fachämtern. Um die Probleme zu klären.