Dessau-Roßlau Dessau-Roßlau: Molotow-Cocktail trifft Polizeirevier

DESSAU-Rosslau/MZ. - Nach dem zweiten Angriff auf die Polizei in Sachsen-Anhalt innerhalb weniger Tage hat Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) eine harte Gangart angekündigt. „Das sind Angriffe auf unsere Demokratie und unseren Rechtsstaat“, sagte er.
Unbekannte hatten in der Nacht zum Mittwoch einen Brandanschlag auf das Polizeirevier in Dessau-Roßlau verübt. Am Wochenende hatte am Rande einer Demo in Magdeburg eine Betonplatte auf einen Polizisten nur knapp verfehlt. Solche Zustände werde er nicht tolerieren, sagte der Minister. Auch Beleidigungen von Polizisten werde er nicht zulassen.
In Dessau schleuderten die Täter einen Molotowcocktail gegen eine Seitentür des Polizeireviers. Eine Scheibe wurde zerstört. An eine Mauer des Gebäudes wurde der Schriftzug „Oury Jalloh, das war Mord“ gesprüht. Der Asylbewerber war 2005 in einer Dessauer Polizeizelle verbrannt. Die Umstände sind bis heute nicht vollständig geklärt. Neben dem Wurf des Molotow-Cocktails hatten die Täter sogenannte Krähenfüße - Nägel, die Autoreifen zerstören können - an der Hauptzufahrt verstreut. Offenbar sollten so Fahrzeuge an der Ein- und Ausfahrt gehindert werden.
Die Staatsanwaltschaft ermittelt inzwischen gegen Unbekannt wegen versuchter Brandstiftung. Die Tatortgruppe des Landeskriminalamtes (LKA) sicherte noch in der Nacht Spuren. Auch die weiteren Ermittlungen laufen unter Federführung des LKA. Von den Tätern fehlt bisher jede Spur.
Den Ausgangspunkt für die jüngste Tat sieht der Leitende Oberstaatsanwalt Folker Bittmann in Zwischenfällen beim jüngsten Gedenken an Oury Jalloh. Dabei war es vor wenigen Tagen zu Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Polizei gekommen. Zwei Personen wurden verletzt. Grund für die Konfrontation war unter anderem eine von den Beamten beabsichtigte Beschlagnahme von Plakaten, auf denen der Spruch „Oury Jalloh, das war Mord“ stand.
„Diese Vorkommnisse mögen der Ausgangspunkt für eine Emotionalisierung gewesen sein,“ sagte Bittmann. „Sie können jedoch keinerlei Rechtfertigung für den Anschlag auf das Polizeirevier darstellen.“ Er bemängelte zugleich, dass bei der Staatsanwaltschaft nach der Auseinandersetzung noch keine einzige Strafanzeige eingegangen sei.
Innenministerium und Staatsanwaltschaft schließen unterdessen nicht aus, dass sich die Situation in Dessau-Roßlau weiter zuspitzt. Die Polizei werde nicht tatenlos zusehen, sagte Karl-Heinz Willberg, Referatsleiter im Innenministerium, und kündigte mehr Polizeipräsenz an. Unter anderem werde die Landesbereitschaftspolizei in der Stadt verstärkt zum Einsatz kommen. Darüber hinaus sollen verdeckte Ermittlungen erfolgen, auf die Willberg nicht konkreter eingehen wollte.
Dessaus Oberbürgermeister Klemens Koschig (parteilos) fürchtet, dass Links- oder Rechtsextreme aus anderen Städten die angespannte Situation für ihre Zwecke ausnutzen und die Stadt verstärkt als Schauplatz wählen. Er macht allerdings auch die Polizei für die angespannte Situation mitverantwortlich und verwies in diesem Zusammenhang auf die Jalloh-Kundgebung. „Wir waren schockiert und völlig überrascht über den Polizeieinsatz,“ sagte Koschig im MZ-Interview. Zurückgeblieben sei ein Scherbenhaufen.
