1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Dessau-Roßlau
  6. >
  7. Dessau-Roßlau: Dessau-Roßlau: «Klinkenputzen» für einen neuen Hausarzt

Dessau-Roßlau Dessau-Roßlau: «Klinkenputzen» für einen neuen Hausarzt

Von SYLKE KAUFHOLD 04.03.2011, 18:40

DESSAU/MZ. - Das war ein Schock für Familie Pfeiffer (Name geändert): Ihre Hausärztin schließt zum 15. März ihre Praxis. 20 Jahre lang waren sie Patienten bei Dr. Edeltraut Brenning, fühlten sich von ihr gut betreut und hatten Vertrauen. "Einen neuen Hausarzt zu finden, ist doch gar nicht so einfach", hatte Inge Pfeiffer vor allem Angst, nirgends unterzukommen. "Wir brauchen regelmäßig Medikamente."

Familie Pfeiffer aber hatte Glück. Sie erhielt einen Termin bei einem Allgemeinmediziner in ihrem Wohngebiet. Zwar erst im Juli, aber immerhin. Denn eigentlich steht an der Praxistür, dass neue Patienten nicht aufgenommen würden. "Da wir in unmittelbarer Nachbarschaft wohnen, sind wir aber drangekommen", weiß Inge Pfeiffer zu schätzen, die nun hofft, auch zum neuen Hausarzt ein Vertrauensverhältnis aufbauen zu können.

Schwierige Entscheidung

"Es ist schwer für die Patienten, einen neuen Arzt zu finden", weiß auch Dr. Brigitte Döhring um deren Sorgen. Sie ist die zweite Ärztin in der Gemeinschaftspraxis in der Askanischen Straße 84 und hört ebenfalls zum 15. März auf. "Die Entscheidung ist mir sehr schwer gefallen", erzählt die 68-Jährige, die seit 42 Jahren praktiziert. Vor drei Jahren, mit dem Eintritt ins Rentenalter, wollte sie etwas kürzer treten. "Seitdem arbeite ich theoretisch verkürzt, aber praktisch voll", so Brigitte Döhring.

Zwei Jahre lang habe sie sich um einen Praxisnachfolger bemüht. Ohne Erfolg. "Die Budgetierung und der riesige Verwaltungsaufwand schrecken ab", kennt sie den Grund. Rund 2 000 Patienten haben die beiden Ärztinnen betreut. Die meisten davon ältere und chronisch kranke Menschen. Sie alle suchen nun im Stadtgebiet einen neuen Hausarzt.

Und die Hausärzte sind rar. 31 Allgemeinmediziner und Praktische Ärzte weist das Branchenbuch "Gelbe Seiten" 2010 aus. Und es werden weniger. Denn etliche der noch praktizierenden Hausärzte haben das Rentenalter seit langem überschritten. Das Medizinische Versorgungszentrum des Städtischen Klinikums beschäftigt drei weitere Allgemeinmediziner (im Auenweg in Alten, in Waldersee und in Vockerode). Patienten, die einen Arzt suchen, landen zumeist dort. "Aber auch unsere Aufnahmekapazität ist erschöpft", verdeutlicht Dr. Joachim Groh die Situation. Seit vier Jahren sei er in Dessau "und in dieser Zeit haben mehr Allgemeinmediziner aufgehört als angefangen. Das ist höchst unbefriedigend, denn für die Patienten gleicht die Arztsuche einem Klinkenputzen."

Wer akut erkrankt ist, werde im MVZ natürlich behandelt, betont Dr. Groh. Das Problem seien auch nicht die Berufstätigen, die zwei, dreimal im Jahr kommen, sondern die Älteren und chronisch Kranken. "Hier ist die Kapazität am Limit, denn sie bedürfen einer viel intensiveren Betreuung, die auch Hausbesuche einschließt."

Seit drei Jahren bemüht sich das MVZ um Allgemeinmediziner. "Wir finden auch für das Angestelltenverhältnis niemanden", konstatiert Groh. Am MVZ besteht auch die Möglichkeit, einen Teil der Weiterbildung zum Facharzt für Allgemeinmedizin abzuleisten. Auch das würde helfen, die Lage in den Praxen zu entspannen.

Warum die Niederlassung als Allgemeinmediziner bei jungen Ärzten so arg unbeliebt ist, ahnt Joachim Groh. Nicht die Budgetierung sei das Hauptproblem, "sondern der enorme bürokratische Aufwand und die Furcht vor Regressen bei der Arzneimittelverordnung". "Das ist immer ein Damokles-Schwert, da kommen Beträge im fünfstelligen Bereich zusammen." Warum indes auch das Angestelltenverhältnis als Allgemeinmediziner offensichtlich keine berufliche Perspektive ist, kann Dr. Groh nicht nachvollziehen. "Sämtliche Geschäftsführung und die Haftung liegen beim MVZ."

Entspannung in Sicht

Dennoch lasse man sich nicht entmutigen, versichert der Ärztliche Koordinator des MVZ. "Wir sind dran an dem Problem und wir wollen auch die wohnortnahe Versorgung aufrechterhalten." Was heißt, dass das MVZ Standorte im Zentrum einrichten würde, wenn es die Ärzte dafür hätte. "Möglicherweise ist aber im Laufe des Jahres eine leichte Entspannung in Sicht", versucht sich Groh zum Abschluss im vorsichtigen Optimismus.