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Dessau-Roßlau Dessau-Roßlau: Junger Fotograf mit Friedreich-Ataxie

Von Andreas Hübner 23.12.2012, 17:21

Dessau-Roßlau - "Was ich am meisten vermisse?" Benjamin überlegt einen Moment. Der 24-Jährige sitzt nah an seinem Esstisch. Leicht nervös reibt er seine Hände. Die Ellenbogen liegen auf dem Tisch. Eigentlich fällt es ihm nicht schwer, offen über sein Schicksal zu reden. Heute sei das etwas anderes. "Meine Beweglichkeit", sagt er schließlich, "Flexibel sein! Ohne jemanden um Hilfe bitten zu müssen! Auf das Fahrrad schwingen und los!" Der junge Mann lächelt.

Benjamin leidet an der seltenen Friedreich-Ataxie. "Ich trage die Krankheit schon seit der Geburt in mir", sagt er, "erst mit 16 habe ich erste leichte Defizite bemerkt." Über fünf Jahre hatte es dann gedauert, bis die Ärzte ihm überhaupt einmal sagen konnten, was er wirklich hat. Die Friedreich-Ataxie ist eine neurodegenerative Erkrankung des zentralen Nervensystems. Betroffene benötigen normalerweise schon nach zwei bis vier Jahren der Erkrankung einen Rollstuhl. "Auch ich muss irgendwann in einem sitzen!" Benjamin wirkt gefasst. Er ist sich seines Schicksals bewusst. "Ich lebe nun schon seit acht Jahren damit", sinniert er mehr, als dass er es sagt und fügt dann lauter hinzu, "bei mir ist der Krankheitsverlauf sehr langsam."

Der gebürtige Rodlebener wohnt mittlerweile mit seiner eigenen jungen Familie in Mildensee. Seine große Liebe Franziska kennt er schon seit der zweiten Schulklasse, doch es dauerte über zehn Jahre bis sie sich näher gekommen sind. "Zur WM 2006 hat es dann gefunkt", berichtet Benjamin, der schon immer ein großer Fußball-Fan war. Gemeinsam hatten die beiden Deutschlands Sommermärchen erlebt und sich dabei verliebt. Trotz seiner Krankheit steht das junge Paar mit beiden Beinen mitten im Leben. Mit Levy wurde diesen Sommer schon ihr dritter Sohn geboren. "Ben Luca ist fünf Jahre alt und Mika ist zwei", sagt er. Bei drei Knirpsen gibt es natürlich immer viel zu tun. An sich ist Benjamin rundum glücklich. Nur manchmal - nicht so ganz. "Ich verstecke meine Krankheit eigentlich ganz gerne mal", gibt er zu, "hinter dem Einkaufwagen vielleicht oder dem Kinderwagen."

Als Kind und Jugendlicher hatte sich Benjamin sportlich stark engagiert. "Judo, Fußball, Skateboard", zählt er auf. Solche Aktivitäten sind nun nicht mehr möglich, doch selbst wenn er könnte, hätte er vermutlich eh kaum noch Zeit dafür, denn mit seinem neuen Hobby hat Benjamin vermutlich seine Passion entdeckt. "Seit 2008 fotografiere ich", sagt er und verweist stolz auf seinen Markenname auf dem T-Shirt. "Benson Photographix" steht dort geschrieben. "Die meisten Fotos sind Porträts von den Kindern", sagt er, "bestimmt 60 Prozent. Die sind mir halt am nächsten." Darüber hinaus beschäftigt er sich hauptsächlich mit HDR Fotografie (High Definition Range), Langzeitbelichtungen und Panoramafotografien. Chemnitz gerät schnell ins Fachsimpeln.

Faszinierend sind seine Landschaftsfotografien. Etliche "Likes" und positive Kommentare, die die Bilder auf seiner Facebook-Seite ergattern konnten, belegen das sofort. Er spielt gern mal mit der Perspektive. So kommentiert er eine seiner Elbe-Fotografien, auf der er die Horizontlinie schräg verlaufen ließ, schlicht: "Manchmal macht es eine andere Perspektive spannend." Am allerliebsten aber setzt er die riesigen Metallkolosse in Ferropolis in Szene. "Dort wäre ich am liebsten jeden Tag", sagt er leicht schmunzelnd und mit diesem freundlichen Glanz in den Augen, die die Leidenschaft fürs Fotografieren verraten. "Ich bin der einzige, der eine 360 Grad Panoramaaufnahme von Ferropolis hat", statuiert er. Äußerst spektakulär wirken auch die vielen Fotografien der einzelnen Bagger. Irgendwo ist immer fast so etwas wie Bewegung in seinen Bildern und irgendwie sieht alles etwas anders aus bei ihm. "Es hat bei mir 24 Jahre gedauert, die Welt so zu sehen, wie ich sie jetzt sehe."