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Dessau-Roßlau Dessau-Roßlau: Hammercafé Thießen zieht zahlreiche Gäste an

Von ANDREAS BEHLING 01.11.2012, 18:37

THIESSEN/MZ. - Statt des Bauernhofs, den ihr Mann Claudio von seinen Großeltern übernehmen wollte, ist es das Hammercafé in Thießen geworden. Seit zehn Jahren schwingt dort Eike Specht das Zepter, das in ihren Händen ein Kochlöffel oder eine Suppenkelle sein kann. Mit diesen Gerätschaften übt die Frau die resolute Herrschaft über die Töpfe und Pfannen aus, die auf den vier Herdplatten Platz finden.

Dass sie mit ihren Helfern dieser Tage mal ein Jubiläum als Gastronomin feiern würde, konnte sich die 45-Jährige lange nicht vorstellen. Aus Meinsdorf bei Roßlau stammend, arbeitete sie bis Anfang der 1990er Jahre als Chemielaborantin im DHW Rodleben. "Mit Rühren hatte die Arbeit dort auch zu tun", erinnert sich Eike Specht schmunzelnd.



Der Abriss der Anlage führte zu einem abrupten Spurwechsel. Eike Specht heuerte bei Karstadt an und wurde Verkäuferin in der Süßwarenabteilung. Bis schließlich das Jahr 2002 kam. Und mit ihm die Entscheidung der Spechts, das unter Denkmalschutz stehende Gemäuer - das Grundstück selbst ist knapp 17 000 Quadratmeter groß und erforderte die Anschaffung von Motorsense und Rasentraktor - zu erwerben. Viel verändert hat das Paar am Anfang nicht. "Natürlich wurde renoviert. Aber ein öffentliches Lokal gab es hier ja schon seit 1990", erzählt die Chefin. Als später eine Umnutzung auf dem Programm stand - es ging um einen zusätzlichen Gastraum -, wäre das Projekt trotzdem beinahe an strengen Auflagen des Denkmalschutzes gescheitert. Aus den Erfahrungen lernten die Eigentümer. "Als wir 2010 noch zwei Gästezimmer schufen, verliefen die Verhandlungen schon nicht mehr ganz so schlimm. Wir wussten, was auf uns zukommt."



Bereut hat Specht die Übernahme des beliebten Ausflugsziels an der stetig rauschenden Rossel trotz der geschilderten Probleme nicht. Vor allem in der Saison, die mit den ersten wärmenden Strahlen der Frühlingssonne beginnt und Ende September allmählich ausklingt, sind die Plätze auf dem Hof am Thießener Kupferhammer nahezu ständig besetzt.

"Ich kann mich nicht beklagen. Es läuft ganz gut", bilanziert Eike Specht ihren zehnten Herbst im Hammercafé. Widerspruch würde ihr wohl lediglich Kater Leopold schnurren wollen. Wenn an allen Tischen getafelt wird, hat das Tier nämlich ganz schlechte Karten, sich auf einem Kissen niederzulassen. Es ist der urig-natürliche Charme des Lokals, der bei den Gästen Anklang findet. Auch im kälteren Jahresabschnitt. "Dann machen wir es in der Stube schön warm und kuschelig", sagt die Wirtin, die auf Stammkundschaft aus Zerbst, Wittenberg, Dessau und natürlich Coswig und Roßlau zählen kann.

Das Hammercafé - der rustikal dekorierte Hammersaal mit seinem offenen Kamin steht für größere Veranstaltungen zur Verfügung - wirkt auf die umliegenden Orte wie ein kulinarischer Magnet. Sogar Potsdamer und Berliner verschlägt es ab und an in die Idylle. "Die sind regelmäßig ganz bezuckert vom Ambiente hier. Ansonsten hört für die ,Buletten' aber die Welt in Wiesenburg auf", verkneift sich Eike Specht die kleine Spitze Richtung Hauptstadt nicht.

Die Speisekarte - in Stoßzeiten ist Eike Spechts Mutter Jutta Apel (70) aus der Küche nicht wegzudenken - punktet mit Hausmannskost - und ist variabel. Weil die gebratenen Schollenfilets am Kürbisragout extrem große Gaumenfreuden hervorriefen, findet das Angebot des Monats September derzeit seine Fortsetzung. Auch bei Bauernfrühstück, Forelle und Eisbein wird kräftig zugelangt. Unschlagbar ist wohl das Angebot an hausgebackenem Kuchen. "So viele Sorten gibt es nicht an jeder Ecke", preist die Chefin die Künste ihrer Schwiegermutter Helga Specht (70). Deren Spezialität ist der LPG-Kuchen. Die Leckerei aus Hefeteig wird mit Kirschen, Buttercreme und Schokolade veredelt.

Ein bisschen gewöhnungsbedürftig ist freilich die Zufahrt zum Thießener Kupferhammer. An der Landesstraße 120 sind drei Wohnblöcke dem postsozialistischen Zerfallsprozess unterworfen. Das Baugebiet "Am Kupferhammerweg" gleich dahinter liegt brach. Eike Specht weiß, was für den motorisierten Gast nötig ist, um aus dem gänzlich reizlosen Umfeld ins paradiesisch anmutende Idyll vorzustoßen: "Langsam fahren und nicht quatschen im Auto. Wer wirklich herkommen will, der findet uns."