Dessau-Roßlau Dessau-Roßlau: Fenster statt Möbel
DESSAU/MZ. - Die Kreissäge, die Bandschleifmaschine und die alte Hobelmaschine aus den 1930er Jahren benutzt der Tischlermeister nur noch selten. "Wenn mal was zu reparieren ist, arbeite ich hier noch" sagt der 78-jährige Kleinkühnauer.
Sein Berufsleben als Tischler hat er längst abgeschlossen. Doch die Erinnerungen sind noch immer sehr lebendig. Fast 40 Jahre arbeitete er in dem privaten Handwerksbetrieb in der Kleinkühnauer Hauptstraße. Mehr als die Hälfte der Zeit trug die Tischlerei seinen Namen. Er heiratete 1957 Sigrid Hinsche und wurde sofort in deren elterliches Unternehmen eingespannt. Denn es traf sich gut, dass der Schwiegersohn zufällig auch Tischler war. Gutes Personal war für Vater Hinsche schwer zu finden. "Die Firma war auch zu DDR-Zeiten privat, so konnten wir nur weniger Lohn als die staatlich organisierten Handwerksbetriebe zahlen und Vergünstigungen, wie der Anspruch auf einen betrieblichen Ferienplatz waren auch nicht drin", berichtet Königs Ehefrau Sigrid. Viele winkten bei diesen Konditionen ab.
Doch Sigrid Königs Vater wollte sich seine Freiheiten nicht durch eine PGH einschränken lassen. Die Tischlerei, 1932 gegründet, überstand die NS-Zeit und den Angriff auf Dessau mit wenigen geborstenen Scheiben. Da waren auch die sowjetischen Alliierten und der Sozialismus unbequeme, aber keine unbezwingbaren Gegner. Doch die Grenzen der beruflichen Freiheit wurden König und seinem Schwiegervater schnell aufgezeigt.
Da war die Geschichte mit dem Holz, das von Wörlitz nach Kleinkühnau geschafft werden musste. "Das war meist feucht und musste erstmal ein bis drei Jahre im Schuppen trocknen", erinnert sich Heinz König. Oft war es einfach nur ein Glücksspiel, überhaupt das streng rationierte Holz in Wörlitz vorzufinden. "Wenn die russischen Alliierten die Holzvorräte schon abtransportiert haben, blieb nichts für uns", erzählt Frau König. Von dem Wenigen was dann da war, mussten die Pläne der Planwirtschaft trotzdem erfüllt werden. "Wir waren auch als privater Handwerksbetrieb in der Planwirtschaft voll eingeplant", berichtet König. In der Praxis hieß das, Türen und Fenster für Schulen und das Schloss Mosigkau statt Möbel für die Nachbarn. Manche seien wegen der langen Wartezeiten von zum Teil fünf Jahren richtig verärgert gewesen, erinnern sich beide.
Es gibt da aber auch die schönen und aufregenden Momente. 1973, nachdem er zwei Jahre zuvor die Tischlerei vom Schwiegervater übernommen hatte, wurde Heinz König Obermeister der Innung für Dessau, Roßlau und Köthen. Der Staat und der private Handwerksbetrieb führten zu dieser Zeit eine friedliche Koexistenz. Und doch hatte König ein wohl gehütetes Geheimnis: Zwei in der DDR verbotene, handgenähte Innungsfahnen aus dem 19. Jahrhundert wurden in einer Nacht- und Nebelaktion vom vorherigen Innungsmeister in das Haus der Königs in Kleinkühnau transportiert und auf dem Dachboden versteckt. Einmal, als ein Geselle wegen versuchter Republikflucht verhaftet wurde, schien es brenzlig zu werden. Doch alles ging gut, eine Hausdurchsuchung blieb aus.
1995, als König in Rente ging, übergab er die einst verbotenen Fahnen an den heutigen Innungsmeister Körting in Kochstedt.