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Dessau-Roßlau Dessau-Roßlau: Ein Büchlein voller Lust am Wort

Von BERND G. ULBRICH 10.12.2010, 18:21

DESSAU/MZ. - Dem Schneematsch und den Buden des Weihnachtsmarkts lässig trotzend, haben sich am Donnerstagabend zahlreiche Literaturfreunde in den Räumen der Hauptbibliothek in der Zerbster Straße eingefunden. Eine Buchpremiere war zu erleben. Der Autoren- und Literaturkreis "Wilhelm Müller" stellte sein jüngstes, sein drittes Buch vor. Sein Titel: "träum dich zurück ins fliehende Wort".

Die Freude über das Premierenereignis durchzog den Raum. Das junge, bemerkenswerte Alanluca Saxophon Quartett (Alexander Neumann, Ann-Christin Lamprecht, Lukas Benecke und Carsten Schaub) und ein aufmerksames, dankbares Publikum sorgten für den angemessenen Rahmen.

14 Autoren melden sich zu Wort

Seit 31 Jahren gibt es den Autoren- und Literaturkreis. Annemarie Lenkeit, seine langjährige Leiterin, hat ihn 1979, als "Zirkel schreibender Arbeiter" im ZAB Dessau, mitbegründet. Heute halten Hannelore Nowak und Axel Peine die inhaltlichen bzw. organisatorischen Fäden in der Hand. Seit 1994 trägt der Kreis den Namen Wilhelm Müllers. Ein Wilhelm-Müller-Programm, ein Kurt-Weill-Programm, ein Programm zur 1848er Revolution in Anhalt, zwei Anthologien in den Jahren 1999 und 2005 waren Meilensteine in seiner Entwicklung.

Die von Axel Peine liebevoll gestaltete, im Engelsdorfer Verlag in Leipzig erschienene neueste Publikation enthält eine Auswahl von Lyrik- und Prosatexten aus dem jüngeren Schaffen der Literaturkreis-Mitglieder. Insgesamt 14 Autoren melden sich darin zu Wort mit ihrer kritisch reflektierten Erfahrung (aus Lebensaltern zwischen 22 und 79 Jahren), mit ihrer Freude am Beobachten, mit ihrer Fantasie, mit ihrer Lust am Wort, am Wortspiel und am bildhaften Gedanken, mit ihrem Ringen mit der Wirklichkeit - wie sie ist und wie sie vielleicht sein könnte.

Anspruchsvolle Texte sind es. Viele Facetten des Lebens werden berührt. Hannelore Nowak (Pseudonym: JoHanne Jastram) lässt das "Kindheitsland" in bunte Scherben zerbrechen. Christin Pfeiffer fasst die Angst vor Gefahr "aus dem Dickicht" in bedrückende Worte. Trauer und Verlust sprechen aus Gedichten von Andrea Häußler. An Dietmar Häusler erinnert u.a. sein Text über "Vadder Franz" und Napoleon. Über Gewichtszunahme und andere allzumenschliche Probleme schreibt Birgit Perlet.

Barbara Nußeck bringt einen grotesken Wahlsonntag im Mai 1989 nochmals nahe. Carsten Riedels Geschichte "Hochzeitstag" durchbricht die blank polierte Oberfläche einer Ehe. Olaf Wendel schildert sarkastisch sein trostlos wirkendes, gründlich betoniertes "tausendjähriges Dorf". Regina Braunsdorf sinnt am Ufer der Goitzsche über Motorboote, über Evolution und Kräuter mit Lavendelduft. Einen stillen, schier grenzenlosen Ozean aus Liebe assoziiert Axel Peine.

Nachdenklicher Ton überwiegt

Regentropfen sammeln sich in der hohlen Hand von Annemarie Lenkeit und benetzen von dort aus eine ganze Welt. An Volker Braun erinnernd, mahnt Lutz Schneider: "Das wichtigste / Am aufrechten Gang / Ist Freiraum / Für den Kopf." Die Seele, die "in der Haut nistet", und ihre Gefährdung thematisiert eindringlich Peter Fochmann. Ebenso "dies wunde Klopfen unterm Herzgestein der Menschen", das wir nicht überhören sollten.

Sehnsucht nach Ganzheit, Sorge angesichts all der "Zersplitterungen" spricht aus vielen Texten. Manchmal klingt ein hintergründiger, ein sarkastischer Humor an. Deutlich überwiegt der nachdenkliche, der ernste Ton. Das Lachen "floh in die nahen Wälder", schreibt Simone Friedrich. Dem Autoren- und Literaturkreis ist zu diesem Buch zu gratulieren.

Autoren- und Literaturkreis "Wilhelm Müller": Träum dich zurück ins fliehende Wort, Engelsdorfer Verlag Leipzig 2010, 9,95 Euro, ISBN 978-3-86268-097-9