1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Dessau-Roßlau
  6. >
  7. Dessau-Roßlau: Dessau-Roßlau: Blumen für die Ewigkeit

Dessau-Roßlau Dessau-Roßlau: Blumen für die Ewigkeit

Von Oliver Schröter 30.12.2011, 16:59

Dessau-ROSSLAU/MZ. - Wer irgendwann einmal im Fernsehstudio einer Quizshow schwitzt und entscheiden soll, ob die Kreuzblume und der Wimperg tatsächlich Bestandteile einer Pfeilerkopffiale sind, der sollte Michael Schuberts Telefonnummer kennen. Der Steinmetzmeister, der in Düben wohnt, ursprünglich aber aus Roßlau stammt, ist dann der perfekte Telefonjoker. Sein Meisterstück, fertiggestellt im Herbst dieses Jahres, war eine solche Kreuzblume und damit der florale Abschluss einer der gut 70 Fialen, die den Halberstädter Dom schmücken - als spitzzulaufendes Türmchen, die hauptsächlich in der Gotik verwendet wurden. Dass Schubert als angehender Meister solch eine bedeutende Arbeit in Angriff nehmen konnte, hatte letztlich ganz praktische Gründe. Für ihn selbst, aber auch für den Auftraggeber, die Stiftung Dome und Schlösser des Landes Sachsen-Anhalt.

Doch der Reihe nach: Michael Schubert studierte nach dem Abitur an der damaligen Fachhochschule in Dessau und wollte Bauingenieur werden. Drei Dinge brachten ihn vom akademischen Weg ab: Die Musik - Schubert zupfte damals den Bass bei der Vorgängerband der heutigen "Down Below" - und der Drang nach finanzieller Unabhängigkeit und praktischer Arbeit. "Ich bin einfach nicht so der Studententyp", fasst Schubert das heute ohne Wehmut zusammen. Also ging er in die Lehre beim Dessauer Steinmetz Jacob Melchert, lernte die Grundlagen dieses Berufes kennen und das gängige Vorurteil: "Treppenstufen, Grabmale, Fensterbänke", das verstünden heute die meisten Menschen unter seinem Aufgabenfeld, "dabei ist der Beruf des Steinmetzes mindestens das zweitälteste Gewerbe der Welt - und ungleich vielfältiger", lacht Schubert und verweist auf eben all die Dome, Kirchen und Schlösser im Land.

Nach Abschluss der Lehre pendelte der junge Geselle zwischen Roßlau und Wolfenbüttel. Dort werkelte eine Hannoveraner Steinmetzfirma an der Sanierung der Hauptkirche Beatae Mariae Virginis. Nach Abschluss des Projektes entschied sich der Roßlauer Steinmetz nicht für den Umzug nach Hannover, sondern für die Heimat und damit für den Schritt in die Selbstständigkeit.

Als Steinmetz braucht es dafür einen Meisterbrief. Den teuren Lehrgang und die Prüfungen finanzierte sich Schubert als selbstständiger Fliesenleger. Als dann in Dresden, wo der Blockunterricht für den theoretischen Teil stattfand, Firmen Meisterstücke zur kostenfreien Umsetzung anboten, lehnte Michael Schubert dankend ab und begab sich in der Heimat auf die Suche nach einem Projekt, das ihm bestenfalls noch den Unterhalt für den Zeitraum der Arbeiten sichern sollte.

"Die Stiftung Dome und Schlösser war gleich interessiert, allerdings mussten wir über den Preis verhandeln", erinnert er sich. Letztlich bekam der angehende Steinmetzmeister den Auftrag am Halberstädter Dom unter einer Bedingung: "Zum Fialkopf gehört eben nicht nur die Kreuzblume, sondern auch der Wimperg und das Mittelstück. Ich musste neben dem eigentlichen Meisterstück also auch die anderen Teile umsetzen, damit eine durchgängige Handschrift erkennbar ist." Schubert ließ sich darauf ein.

Für die Umsetzung war eine permanente Abstimmung mit dem leitenden Restaurator notwendig. "Die meisten Fialen am etwa 800 Jahre alten Dom sind beinahe vollständig verwittert, nur die älteren, die statt aus Sandstein aus Kalkstein gefertigt wurden, sind noch einigermaßen erhalten", erklärt er. Doch Schubert musste mit seiner Fiale aus dem 15. Jahrhundert in der Zeit bleiben, studierte also die Formen im Innenraum des Doms. Sie stellten die Basis für die ersten Zeichnungen, die detaillierten Konstruktionsskizzen und letztlich für die Entstehung der insgesamt 2,90 Meter hohen Pfeilerkopffiale dar.

520 Stunden Arbeit stecken am Ende in dem Projekt. Für die Kreuzblume, das eigentliche Meisterstück, blieben 100 Arbeitsstunden. Die brachte ihm eine Note 1 im praktischen Teil der Meisterschule ein und Selbstsicherheit: "Es ist gut zu wissen, dass man eine solche Herausforderung bewältigen kann."

Mit dem Meisterbrief in der Tasche sieht sich der gebürtige Roßlauer Michael Schubert auch zukünftig im Bereich der Restauration. Wo genau das sein wird, das wird das kommende Jahr zeigen. Zwei Grundsätze sind aber schon jetzt in Stein gehauen: "Ich will davon vernünftig Leben können und meinem eigenen Anspruch an die Arbeiten gerecht werden."