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Dessau-Roßlau Dessau-Roßlau: Birkengrün zeigt sich ein lichter Lenz

Von THOMAS ALTMANN 18.04.2011, 19:41

DESSAU/MZ. - "So dehnt sich wieder die Seele", würde Heinrich Heine sagen und Kurt Tucholsky schrieb: "Ach ja, der Mensch! Was will er nur vom Lenze? Ist er denn nicht das ganze Jahr in Brunst? Doch seine Triebe kennen keine Grenze - dies Uhrwerk hat der liebe Gott verhunzt." Lenze ohne Grenze, die Brunst verhunzt? Nein, aber ein wenig vermisst man ihn beinah, den schmachtenden Herzton zum Knospensprung.

Birkengrün statt nachtigallenbuhlerisch gab sich das 19. Frühlingssingen des Sängerkreises Anhalt-Dessau e.V. am Sonntag im Anhaltischen Theater. Die gewählte Literatur erscheint renoviert, weg von der Symbolkraft des Volksliedes, wo der Mann noch der Berg und die Frau noch das Tal war, weg von der tiefen Tragfähigkeit der Romantik und deren seichten Variationen, weg vom Legato, von der Bindung weinender Freude hin zum Staccato, zur an- und abgestoßenen Artikulation, zur Leichtigkeit des Seins.

Hang zur Heiterkeit

Das mag die Botschaft dieses Frühlingssingens sein, dass der Lenz mit einem Hang zur Heiterkeit licht begrüßt wird, von insgesamt 16 Chören in verschiedenen Formationen, von kleinen und großen Chören, vom Seniorenchor "Krötenhof" bis zum Friedrich-Schneider-Chor, der unter Leitung von Liliya Groschewa eindringlich und plastisch den Frühling formt und mit "Kopf hoch" nicht nur rät, allen Ärger zu ersäufen, sondern den Refrain schließlich, weil endlich betrunken, ganz köstlich durch die Kehle torkeln lässt.

Der Volkschor Reinsdorf begann den offiziellen Teil, geleitet von Armin Blasche. Er moderiert, rezitiert Heinz Erhardt und wird geehrt. Der 1. Vorsitzende des Sängerkreises ist seit zehn Jahren für den Verein aktiv, wie auch der 2. Vorsitzende Klaus-Dieter Wegener und die Schatzmeisterin Maria Gasser. Kläre Dietrich ist seit zwanzig Jahren dabei: Blumen und Glückwünsche gibt es vor dem Finale.

Aber erst singen die Reinsdorfer "Tumbalalaika", lassen den "kleinen grünen Kaktus" schön dosiert stechen und schnittig erklingt "Seht am Strauch die Knospen springen" aus "Die verkaufte Braut". Im Ganzen fällt die lichte Artikulation immer wieder auf, in Sätzen, gesungen vom Volkschor "Muldeklang" Jeßnitz, dem Chor "Viva la musica" Kochstedt oder dem Madrigalchor Dessau.

Vermählt für zwei Titel haben sich der Stadtchor Zerbst, ein Frauenchor unter Leitung von Karin Spott, und Willi Dreibrodts Männerchor Roßlau: "Es zog manch Lied" und "When I get older". Im Beatles-Song haben die Frauen den Hut auf, eine gute Ehe, in der die Männer pointiert den Haushalt erledigen. Dann singen die Herren allein. "Schöne Ahnung ist erglommen, Frühlingsodem weht im Hain." In Carl Maria von Webers "Frühlingslied" ertönt die echte Sprachgewalt sehr dynamisch "und jede Brust öffnet sich in neuer Lust". Völlerisch und appetitlich ist dann Carl Zöllners "Speisezettel".

Gesungene Lebensart

Wohlklingend, schmelzend, augenzwinkernd vor allem singt ein Quartett des Männerchores später von wahrer Liebe, gibt eine Touristenversion auf "Epo i tai tai je" oder tanzt über der Rhône, "Sur le pont d' Avignon". Im kleinen Finale vor der Pause begibt sich auch der Zerbster Chor nach Frankreich. Ein quasi szenischer Auftritt erzählt ganz frisch "Geschichten aus Paris". Da wird ein Stück Lebensart nachempfunden, am Karussell der Liebe gedreht und ein Fest auf Montmartre gefeiert.

Das Finale bietet ein Stück phonetischer Dressur aus "My fair Lady". Chöre aus Rhesen, Radis, Kemberg, Bergwitz und Wörlitz bevölkern die Bühne. Sie hätten "getanzt heut nach, die ganze Nacht". "So war mir nie" und irgendwie glaubt man der schwelgenden Lust. Chorleiterin Sybille Schaffrin gibt Eliza Doolittle, adrett, kokett und freilich nicht völlig unausweichlich. "Wäre das nicht wunderschön?" Wäre es. Higgins versieht so etwas wie eine Gastprofessur und dann hat sie's. Mit "In der Straße wohnst du" endet der Flirt mit dem Musical: "Plötzlich schweb' ich so oben irgendwo".