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Dessau-Roßlau Dessau-Roßlau: Bestands-Garantie für Junkers-Bauten

Von STEFFEN BRACHERT 08.04.2010, 19:55

DESSAU/MZ. - Peter Kuras war die Skepsis anzumerken. "Wenn wir jetzt 1995 hätten", sagte der Vorsitzende des Fördervereins des Technikmuseums "Hugo Junkers", "dann würde ich sagen, das ist eine Top-Idee." 15 Jahre später aber fällt es Kuras schwer, Begeisterung zu entwickeln. "Unter den jetzigen Bedingungen, bei der jetzigen Finanzlage ist es extrem schwierig, ein solches Projekt umzusetzen."

Deutschlandweit im Blickpunkt

Das Projekt, das ist der Erhalt von fünf historisch mehr oder weniger wertvollen Gebäuden auf dem Junkalor-Gelände. "Es geht uns um das Erbe von Hugo Junkers", sagte Sven Tornack, der Vorsitzende des Vereins "Industriekultur Hugo Junkers", der sich im Herbst 2009 gegründet und eine Diskussion losgetreten hat, die Dessau deutschlandweit in den Blickpunkt gerückt hat. Zu Unrecht, wie Peter Kuras am Mittwoch beim MZ-Forum kritisierte. "Der Zustand des Ensembles ist bedauerlich. Die Stadt hat daran aber keine Schuld."

Junkalor ist ein Beispiel für eine völlig verfehlte Privatisierungspolitik der Treuhandgesellschaft. Firma und Gelände wurden im März 1993 an zwei Glücksritter verkauft, die Millionen aus dem Deal zogen und beides herunterwirtschafteten. Erst vor drei Jahren wurde die Stadt Eigentümerin des inzwischen völlig maroden Geländes, versuchte sich in der Vermarktung, scheiterte aber und wusste am Ende nur noch einen Ausweg: den Abriss zur Gefahrenabwehr. Zwei Millionen Euro stehen dafür aus der "Gemeinschaftsaufgabe zur Förderung der regionalen Wirtschaftsstruktur" zur Verfügung. Aber nur, weil die Stadt dort Flächen für ein neues Gewerbegebiet schafft.

Die Arbeiten ruhen seit drei Wochen. Das Engagement von Tornacks Verein und deutschlandweite Proteste gegen den Abriss zweier von Hugo Junkers entworfener Gebäude hat zu einem Innehalten geführt, das eine letzte Chance ist. Der Abriss wird nur gestoppt, wenn die Studenten um Tornack ein tragfähiges und belastbares Finanzierungs- und Nutzungskonzept vorlegen. Es war Anlass für die MZ, kurzfristig zu einem Forum zu laden. Das Interesse war riesig. Kurz vor Diskussionsbeginn mussten noch Dutzende Stühle zusätzlich aufgestellt werden. Antworten aber gab es nur wenige.

Unklar blieb eine Woche vor der offiziellen Präsentation, was im Konzept des Vereins "Industriekultur Hugo Junkers" steht. Unklar blieb aber auch, was in diesem Konzept drin stehen muss, um diesem eine Chance zu geben. Wann also ist ein Finanzierungs- und Nutzungskonzept tatsächlich belastbar? Welche Kriterien werden angelegt, um das zu beurteilen? Und vor allem: Wann geschieht das? Am 15. April läuft das Ultimatum ab, ohne dass das Thema auf der Tagesordnung des Ausschusses für Bauwesen, Verkehr und Umwelt steht. "Es gab zum Zeitpunkt der Einladung keinerlei Unterlagen", begründete das Ralf Schönemann, Linke-Fraktionschef und Vorsitzender des Ausschusses. Das Konzept soll nun am 15. April eingereicht werden. "Wir wollen dann zeitnah einen Vor-Ort-Termin vereinbaren."

Wie es vor Ort aussieht, dokumentierte Gerhard Beeg, der Geschäftsführer des Technikmuseums "Hugo Junkers", am Mittwoch eindrucksvoll wie unbarmherzig. Stark deformierte Eisenverstrebungen, abgestürzte Außenwände, völlig zerstörte Inneneinrichtungen, vermüllte Räume. Beegs Fotos sorgten für Ernüchterung bei all jenen, die noch gar nicht oder schon lange nicht mehr auf dem Junkers-Gelände waren.

Helmut Erfurth verstärkte die Zweifel. Der anerkannte Junkers-Experte arbeitete einst selbst auf dem Junkalor-Gelände. "Wenn die NVA mit ihren Schwimmpontons vorbeifuhr, schwankte das ganze Haus." Erfurth hat das Junkers-Verwaltungsgebäude und die Lamellenhalle intensiv erforscht und untersucht. "Wir müssen einen Sinn für die Realität haben", warnte er. Die Realität sehe so aus, dass in der Lamellenhalle zu DDR-Zeiten Quecksilber abgefüllt wurde und Altlasten zu befürchten seien. "Das ist ein problematisches Gelände." Realität sei aber auch auch, dass es ein Gutachten für das Junkalor-Verwaltungsgebäude aus dem Jahr 1995 gebe. "Die gesamte Stahlkonstruktion war schon damals korrodiert." Ein Kostenvorschlag ging von 1,6 Millionen D-Mark aus. 15 Jahre später dürfte das nicht weniger geworden sein.

Es waren solche Beiträge, die die vielen Gäste schwanken ließen zwischen Sympathie für die Rettungsaktion der Studenten und der Einsicht, wie schwierig diese Rettungsaktion zu finanzieren ist. "Die Stadt hat dermaßen große finanzielle Probleme, dass es sehr, sehr schwer ist, neue Prioritäten zu setzen", sagte Koschig, der bestritt, dass die Stadt die Bedeutung des Ensembles verkannt hat und trotzdem den beiden Junkers-Bauten eine Bestandsgarantie gab.

Investor für ein Gebäude

Für das Verwaltungsgebäude stehe die Stadtverwaltung in intensiven Verhandlungen mit einem Investor, einem Junkers-Fan von außerhalb, der sich begeistert hat für den Bau. Von diesem Investor dürfte ganz entscheidend abhängen, was aus der Lamellenhalle wird. Koschig bestätigte, dass es mit dem Technikmuseum einen Vertrag gibt, die Halle auf das Gelände des Museums in der Kühnauer Straße umzusetzen. "Wir wollen die Halle für Sonderausstellungen nutzen", erklärte Kuras, der sich aber kompromissbereit zeigte. "Wir können mit jeder Entscheidung der Stadt leben. Wir werden nicht dagegen protestieren, wenn die Halle am jetzigen Standort bleibt." Für Sven Tornack, den Vorsitzenden des Vereins "Industriekultur Hugo Junkers", ist das ein Muss. "Die Bauten und das Gelände bilden eine untrennbare Einheit." Für Tornack geht es um alle Gebäude des ehemaligen Kaloriferwerkes.

Kuras, der zugleich Vizepräsident des Landesverwaltungsamtes in Halle ist, ging deshalb sogar noch einen Schritt weiter und bot den Studenten an, ein Gespräch mit der Investitionsbank des Landes Sachsen-Anhalt und der Städtebau-Verantwortlichen des Landesverwaltungsamtes zu vermitteln. Dort soll vor allem geklärt werden, ob es rechtliche Möglichkeiten gibt, die Abriss-Fördermittel umzuwidmen und für den Erhalt des Junkalor-Geländes einzusetzen. Es wäre die dringend benötigte Anschubfinanzierung, ohne die das ganze Projekt wohl zum Scheitern verurteilt ist. Im Saal boten zudem Vertreter der Anhaltischen Bahngesellschaft und vom Oldtimerstammtisch Dessau Hilfe an. Das Bauhaus und der Brauhausverein arbeiten schon mit am Konzept. Die Studenten stehen nicht allein.

Zukunft der Stadt

Und trotzdem gibt es keine Garantien für das Gelände. "Die Zukunft der Stadt hängt nicht an diesem Grundstück, sonst wäre Dessau-Roßlau eine sehr arme Stadt", sagte Koschig gegen Ende des MZ-Forums. Die Studenten des Vereins "Industriekultur Hugo Junkers" sind trotzdem angetreten, ein Stück ihrer Zukunft mit dem Junkalor-Gelände zu verknüpfen.