Dessau Dessau: Mehr als nur Wohnen

Dessau/MZ - Als Hobusch hätte er sicher einige seiner berüchtigten Hobuschiaden im Gepäck gehabt, um seinen Sonnenköppen deren Tollheit vor Augen zu führen. Als Mitarbeiter des Stadtplanungsamtes hatte Lutz Meixner zum diesjährigen Wohngebietsfest der Dessauer Wohnungsbaugesellschaft (DWG) und des Dessauer Wohnungsvereins im Stadtpark nur jede Menge Zeit und ein paar Schautafeln zum Dessau- Roßlauer Leitbild dabei. Auch außerhalb seiner Mundartrolle muss Meixner sich manchmal über die Dessauer wundern. „Für viele ist hier alles schlecht. Aber wenn man dann nachfragt, ob sie wegziehen wollen, sagen viele nein. Also kann doch so vieles gar nicht schlecht sein“, resümierte er am Sonnabend auch in Bezug zu einem aktuellen MZ-Beitrag, in dem diese Debatte thematisiert wurde.
Meixner will nichts beschönigen. „Der Bevölkerungsschwund wird - wenn auch im verlangsamten Tempo - anhalten“, sagt er. Auch Meixner sieht das mit Sorge, dass im Prinzip die 100 000 als Einwohnerzahl schon in den 1990er Jahren nur noch Illusion war und seitdem ständig nach unten korrigiert wird. Aber wenn mehr sterben als geboren werden. Wenn mehr weg- als zuziehen. Viele gehen einer gut bezahlten Arbeit hinterher. In die Region kommt sie selten. Das reißt nun mal ein Minus. Würde man nur das betrachten, könnte man die miese Stimmung verstehen. Dessau-Roßlau hat Potenziale aus seiner Geschichte heraus“, sagt Meixner. Die Kräfte bündeln, etwas wagen, den Bürger mehr rannehmen, so ließe sich verkürzt das Leitbild der Stadt formulieren.
Dramatische Veränderungen
„Gäste sagen meistens, ihr habt schon eine Menge geschafft“, stellt der Mitarbeiter des Stadtplanungsamtes immer wieder fest. Nur die Doppelstädter selbst sind meist zu blind, das zu sehen. Das geht dann auch kaum ohne teils dramatische Veränderungen, wie den Abriss von Wohnungen. Weil die Politik kein Folgeprogramm zur Altschuldenentlastung, das in diesem Jahr ausläuft, neu aufgelegt hat, sind gerade die großen städtischen Vermieter in Zugzwang.
„Der Stadtumbau Ost geht ja auch über das Jahr 2013 weiter“, ist Werner Lautenschläger, Vorstand des Wohnungsvereins, über die ruhige Hand der Politik verwundert. Für sein Unternehmen heißt das in diesem Jahr, den geplanten Abriss von 280 Wohnungen zu stemmen. „Solche Größenordnungen sind für uns eigentlich über drei Jahre verteilt“, so Lautenschläger. „Wir haben in diesem Jahr den Rückbau von rund 1000 Wohnungen geplant“, bilanziert Beate Rulf, Prokuristin der DWG. Fast jede zehnte Wohnung im Bestand des größten Dessau-Roßlauer Vermieters betrifft das. Sicherlich ziehe kaum jemand freiwillig aus seinem gewohnten Umfeld weg, so Rulf. Doch viele Mieter ziehen auch innerhalb des Bestandes um, und bleiben so als Kunden der DWG erhalten, sieht Rulf auch einen positiven Aspekt. Sie macht das auch an der umfassenden Betreuung fest. „Die Wünsche und Ansprüche der Mieter sind in den letzten Jahren gewachsen“, beobachtet die Prokuristin. Einerseits an die Wohnungsausstattung. So barrierearm wie möglich sollten diese sein. Aufzüge, ebenerdige Duschen und niedrige Schwellen sind hier vor allem gefragt. Andererseits spiele auch das Soziale eine immer größere Rolle.
Unterhaltung für Alt und Jung
„Das zunehmende Alter und Vereinzelungen sind die größten Herausforderungen für uns als Vermieter“, konstatiert Walter Matthias, der Pressesprecher der DWG. Das Wohngebietsfest hat für ihn deshalb eine vielfache Funktion. Mit Hüpfburg, Carrera-Rennbahn, Musik und Gastronomie soll für Unterhaltung gesorgt sein. In ungezwungener Atmosphäre sollen Nachbarschaften gestärkt werden, an 17 Infoständen auf verschiedene vor allem soziale Problemlagen, Antworten gefunden werden. „Gerade ältere Alleinstehende sind mit Situationen, wie einem Umzug oder kleinen Reparaturen manchmal überfordert. Da sind wir als Vermieter gefragt, um auch diesen Menschen ein möglichst langes selbstbestimmtes Wohnen zu ermöglichen“, sieht Matthias die Notwendigkeit erweiterter individueller Hilfestellungen.
Das erkennt auch Gabriele Perl, Vorsitzende des Dessauer Mieterbundes an. „Die Wohnungsunternehmen verhalten sich nach ihren Möglichkeiten sozial“, lobt sie. Für Perl ist vor allem auch die Politik gefragt, wenn es um soziale Härten durch Abrisskündigungen, eine sozial ausgewogene Umsetzung des zukünftigen Mietspiegels oder Verschuldung durch hohe Nebenkostenzahlungen geht.

