Der «Alte Räucherturm» ist ein neuer Aussichtspunkt
DESSAU/MZ. - Dessaus Baudezernent Karl Gröger und Sonja Beeck, Vertreterin von IBA Stadtumbau und Stiftung Bauhaus, gehen mit sichtlichem Vergnügen mit dem Akkuschrauber um, lösen die letzten Schrauben und halten das Schild in die Höhe. Geschafft! Geschafft ist am Sonnabend eine weitere Etappe auf Dessau-Roßlaus Weg, die Herausforderung von Gegenwart und Zukunft zu meistern: eine Lösung für die schrumpfende Stadt zu finden.
Keine Alternative
"Zum Stadtumbau gibt es keine Alternative", sagt Gröger vor den zahlreichen Dessau-Roßlauern, die gekommen sind, um ein Stück des Wandels mitzuerleben. "Was man nicht mehr braucht, das muss man der Natur zurückgeben." Ein neuer Landschaftszug entsteht, urbane Kerne werden gestärkt. Doch Stadtumbau heißt nicht nur Abriss: Der Räucherturm ist ein exemplarisches Beispiel und auch neuer Mittelpunkt eines beispielhaft umgestalteten Gebietes.
Er und das noch vorhandene Maschinenhaus sind letzte Zeugen einer ehemaligen Brauerei, einer späteren Hefefabrik und schließlich der Fleischerei Andes. Wer die 131 Stufen des Turmes erklimmt, sieht aus 24,5 Metern Höhe über ein Gebiet, das sich in den letzten Jahren total gewandelt hat. Der frühere Kohlehandel entlang der Bahnstrecke ist ein Eldorado für BMX-Fans geworden, daneben gibt es neues Grün auf den Versuchsflächen der Hochschule Anhalt. Mahdgut wird hier in einem Forschungsprojekt zu Saatgut - und Gröger kann sich vorstellen, dass sich andere Kommunen ein Beispiel nehmen werden.
Weitere Eichengruppe
Doch auch das Eichenquinqum prägt den neuen Landschaftszug. Und wie schon im vergangenen Dezember kam Kerstin Neitzel, Regionalleiterin von Fielmann in Sachsen-Anhalt, um zum Spaten zu greifen und erneut eine vom Unternehmen gestiftete Stileichengruppe zu pflanzen. Gröger lobte das Engagement der Fielmann-Gruppe. Und über eines freute er sich dabei ganz besonders: "Die Stadt hat keinen Pfennig dazubezahlt."
"Dessau schreitet sehr mutig voran", findet Sonja Beeck von der IBA-Stadtumbau. Die schrumpfende Kommune holt sich das Dessau-Wörlitzer Gartenreich in die Stadt. "Wir werden wohl noch 20 Jahre damit beschäftigt sein. Doch erste Zeichen kann man jetzt bereits sehen", erklärte sie. Mitten in der Stadt ist jetzt die Weite der Landschaft erlebbar, werden - ähnlich wie in Wörlitz - Landmarken gesetzt. Der Räucherturm ist eine solche Marke. Er ist aber auch ein Symbol dafür, "wie man mit Spuren umgeht". Die Weite, die Wiesen, die Spuren, das Quinqum - all steht für das Gartenreich.
Turm als Kunstobjekt
Der Räucherturm am Asphaltband "Roter Faden" ist aber nicht nur ein Zeugnis früherer Industrie; es ist auch Kunstobjekt. Nicht nur die Graffiti von Stefan Lange erzählen davon, dass die Graffiti-Szene sich hier lange Zeit traf. Auch Künstlerin Johanna Bartl hat Anteil am Gesicht des "Alten Räucherturms". Nicht nur die behutsame farbliche Gestaltung, sondern auch Texttafeln mit bewusst zurückhaltender Gestaltung hat sie vorgeschlagen. "Der Turm soll bleiben, was er war: Ein Zeugnis der Industriegeschichte." Und dazu gehört für Bartl auch das Maschinenhaus.
Und dann ist der Weg frei nach oben, genießen Hunderte die Aussicht. Das Beste: Man kann das jederzeit nachholen: Von Oktober bis März ist der Turm von 9 bis 17 Uhr geöffnet. In den übrigen Monaten von 9 bis 21 Uhr. Nicht nur mit einer Aussicht, die bis Bernburg, Köthen, Wittenberg und weiter reicht, wird der Aufstieg belohnt. Auch Bänke laden zum Verweilen ein. Und Zeichnungen auf der Brüstung geben beste Orientierung.