1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Dessau-Roßlau
  6. >
  7. Demoliert - und dann?: Demoliert - und dann?: Dessauerin bleibt trotz Zeugen auf Schaden an ihrem Auto sitzen

Demoliert - und dann? Demoliert - und dann?: Dessauerin bleibt trotz Zeugen auf Schaden an ihrem Auto sitzen

Von Heidi Thiemann 02.12.2018, 08:00
Vandalismusschaden am Auto: Der Verursacher ist bekannt, doch zahlt er auch?
Vandalismusschaden am Auto: Der Verursacher ist bekannt, doch zahlt er auch? dpa

Dessau - Ist Marion Müller (Name geändert) am Ende die Dumme? Muss sie selbst für den Schaden am Auto aufkommen, den ein Dritter verursacht hat? Hat dieser einen „Freibrief“, wie sie vermutet? Kehrt die Staatsanwaltschaft mehrere Straftaten unter den Teppich, weil sie den Fall zu den Akten gelegt hat? „Ich fühle mich wie im falschen Film“, sagt die Dessauerin.

Es geht um den 16. Juli. Müllers Auto wird wie vier andere im südlichen Stadtzentrum demoliert. 5.200 Euro Gesamtschaden stellt die Polizei fest. Müller ist zuversichtlich, dass der Schaden an Fahrertür und Seitenscheibe schnell geregelt wird. „Zu meinem großen Glück hatte ich einen Zeugen, der alles beobachtet hat und den Verursacher auch kannte.“ Doch nach der Strafanzeige bei der Polizei folgte Ernüchterung. Die Staatsanwaltschaft teilte ihr mit: Der 43-jährige Mann wurde gutachterlich als schuldunfähig eingestuft.

„Der Beschuldigte ist an einer schizoaffektiven Störung erkrankt ... Eine Strafverfolgung gegen kranke, schuldunfähige Personen ist unzulässig“, heißt es im Schreiben der Behörde. „Strafrechtliche Ermittlungen werden in so einem Fall nicht weitergeführt“, bestätigt Staatsanwalt Olaf Braun. Mögliche zivilrechtliche Ansprüche seien von dieser Entscheidung aber nicht berührt.

Müllers Autoversicherung übernimmt den Vandalismusschaden in Höhe von 650 Euro nicht

Wer bezahlt den Schaden? Müllers Autoversicherung übernimmt den Vandalismusschaden in Höhe von 650 Euro nicht. „Ich habe keine Vollkasko“, sagt sie. Ihr Auto ist 18 Jahre alt, Baujahr 2000, so die Mitarbeiterin in der Systemgastronomie. Die eingeschlagene Seitenscheibe hat sie auf eigene Kosten (200 Euro) reparieren lassen.

„Ich brauche das Auto, um auf Arbeit zu kommen.“ Die Fahrertür ist noch immer eingebeult. Auch das soll gemacht werden - doch in Vorkasse gehen will Müller dafür nicht. Sie hat Angst, am Ende alles zu zahlen. Das wäre auch bei der Vollkasko so gewesen: „Die übernimmt zwar den Vandalismusschaden, doch im Jahr darauf wird der Beitrag hochgestuft“.

Der 43-Jährige, der gegen Müllers Auto trat, hat einen Betreuer. Betreuer werden dann vom Betreuungsgericht bestellt, wenn ein volljähriger Mensch psychisch krank ist, körperliche, geistige oder seelische Behinderungen hat, seine eigenen Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht selbst besorgen kann.

„Anspruch des Betroffenen auf ein selbstständiges und selbstbestimmtes Leben hat Vorrang“

„Der Anspruch des Betroffenen auf ein selbstständiges und selbstbestimmtes Leben hat Vorrang. Die Einrichtung einer Betreuung hat keinen Einfluss auf die Geschäftsfähigkeit des Betreuten“, erklärt Carsten Sauer, Sprecher der Stadtverwaltung, bei der die städtische Betreuungsbehörde angesiedelt ist. Entmündigt sind solche Personen nicht, das wurde 1992 mit Inkrafttreten des Betreuungsrechtes abgeschafft.

Hat aber ein Betreuter einen „Freibrief“, muss er keine Konsequenzen für sein Handeln fürchten?„Auch ein Betreuter muss für einen von ihm verursachten Schaden aufkommen, wenn er dazu vom Gericht verurteilt wird“, so Sauer.

Das Urteil habe der Betreuer zur Kenntnis zu nehmen und könne versuchen, dem psychisch kranken Betroffenen die Auswirkungen seines Verhaltens deutlich zu machen, so Sauer. „Wenn sich der Betreuer in so einem Fall an die Betreuungsbehörde wendet, können wir ihm beratend und unterstützend zur Seite stehen.“ Doch von selbst eingreifen könne die Behörde nicht. Und: „Sie kann solche oder ähnliche Fälle von psychisch kranken Menschen nicht verhindern.“ Allerdings kommen solche Fälle selten vor. „Bei derzeit zirka 1.500 Betreuungen in Dessau-Roßlau bilden sie eher die Ausnahme“, so Sauer.

Falls es kein Einlenken gibt, „bleibt nur der Klageweg“

Ein Gerichtsurteil gibt es in diesem Fall aber noch längst nicht. Müller würde gerne auf den Gerichtsweg verzichten. Weshalb sie selbst bei Gericht den Betreuer, Rechtsanwalt Hans-Peter Konrad in Coswig, ausfindig gemacht hat. ,„Ich habe alle Unterlagen dort hingeschickt“, sagt sie, „in der Hoffnung, er redet mit ihm, um eine Schadensregulierung herbeizuführen.“ Sie hätte, sagt Müller, wenigstens eine Entschuldigung erwartet.

Stattdessen sei sie von dem 43-jährigen Schadensverursacher verbal attackiert worden. Er habe angedroht, auch das andere Auto der Familie zu demolieren. Müller hat Angst, dass der Mann die Drohung wahr macht. „Am Ende terrorisieren solche Leute die Nachbarn und der Gesetzgeber schließt die Augen.“

Der Betreuer, Rechtsanwalt Konrad, kennt „dieses Problem von Juli 2018 sehr wohl“, heißt es in der Antwort auf Anfrage der MZ. Doch Fragen könne er weder sachlich noch rechtlich beantworten. In der Angelegenheit sei er auch der Anwalt des Mannes.

Müller hat inzwischen ebenfalls Antwort von Konrad erhalten: Er habe den Betreuten um Stellungnahme gebeten, teilte er ihr mit. Müller hofft noch immer auf eine Einigung. Falls es kein Einlenken gibt, sagt sie, „bleibt nur der Klageweg“. Der Ausgang, fürchtet sie, ist ungewiss. (mz)