DB Fahrzeuginstandhaltung DB Fahrzeuginstandhaltung in Dessau: Mit dem Lok-Zentrum für Europawirtschaft entsteht ein kostspieliges Unikat

Dessau - Irgendwann riefen die Stadtwerke an und fragten, ob man sich um eine Kommastelle vertan habe. Nein, die sind schon nötig, diese 15.000 Volt. Die Hochspannung ist Teil des Großprojekts der DB Fahrzeuginstandhaltung in Dessau.
Am Standort entsteht derzeit das größte und modernste Lokprüfzentrum Europas. Dort sollen demnächst Elektroloks aus ganz Deutschland und Europa technisch qualifizierter geprüft werden. Der gesamte Arbeitsprozess im Werk mit rund 1.300 Mitarbeitern wird umgekrempelt, um Loks schneller wieder auf die Schienen schicken zu können.
Es ist ein Millionenprojekt, genauere Investitionssummen wollen die Bauherren nicht nennen. Der Testbetrieb soll im Februar beginnen - wenn nichts dazwischen kommt. Denn der Abschluss des Bauwerks hinkt bereits jetzt dem Zeitplan deutlich hinterher.
Mit dem Lokzentrum neue Märkte erschließen
Für den Standort ist das Prüfzentrum ein extrem wichtiger Schritt. Es sichert die Zukunft“, sagt Werkleiter Michael Otto. Mit der neuen Halle auf 1.500 Quadratmetern stelle sich das Werk, dessen Kernkompetenz die Instandhaltung von Elektrolokomotiven und deren Komponenten ist, auf dem internationalen Markt neu auf.
„Wir werden deutlich mehr Kunden aus dem In- und vor allem Ausland gewinnen.“ So kann die DB Fahrzeuginstandhaltung künftig Mehrsystemloks testen, die grenzüberschreitend mit verschiedenen Fahrdrahtspannungen unterwegs sind.
Während bisher elektrische Triebfahrzeuge nur für eine Oberleitungsspannung auf den Prüfgleisen in Dessau stehen konnten, werden künftig alle vier in Europa bestehenden Stromsysteme bedient.
„Neue Loks fahren inzwischen meist auf mehreren Bahnsystemen. Das konnten wir bisher nicht ausreichend abdecken“, erklärt Dirk Nikoleit, Referent für Werkentwicklung.
Prüfung im Lokzentrum unter Hochspannung
Derzeit prüfen die Mitarbeiter in Dessau 350 bis 400 Loks im Jahr. Sie fahren ins Werk zur Revision, bei außerplanmäßigen Instandsetzungen und zur Beseitigung von Unfallschäden.
Auch Umbauten oder Modernisierungen sind möglich. Manchmal werden die Loks auch aus anderen Ländern ins Werk geschleppt, aus Polen oder aus Norwegen beispielsweise. Geprüft werden vor allem die Triebfahrzeuge der Deutschen Bahn, der externe Anteil von Drittkunden liegt derzeit bei zehn Prozent.
Für das Prüfzentrum steht bereits der Rohbau, der von weitem durch die blaue Stahlkonstruktion sichtbar ist. Das Dach soll in den kommenden Wochen gesetzt werden. Dann folgt das Herzstück - die Technik.
In die Halle führen vier Gleise, dort können acht Loks gleichzeitig stehen. Die Prüfung erfolgt unter Hochspannungsbedingungen. Von Arbeitsständen aus gelangen Prüfer auch von unten und oben an die Lok. Auf einem 300 Meter langen Gleis werden Fahrtüchtigkeit und Bremsen getestet.
Arbeitsbedingungen für Mitarbeiter verbessern
„Wichtig ist, dass eine qualifiziertere Eingangsuntersuchung möglich ist“, sagt Nikoleit. „Wir testen das Gesamtsystem und können so vieles im Vorfeld feststellen. Vorher mussten wir manchmal Einzelteile auseinander nehmen, um bestimmte Mängel und Defekte zu entdecken.“
Für das neue Prüfzentrum wird auch die Infrastruktur insgesamt umgebaut: Der Werkfluss kehrt sich um. In der großen bestehenden Richthalle, hinter dem neuen Prüfzentrum, entsteht eine neue Toreinfahrt. Die Loks können künftig mitten in die Halle fahren, rechts und links der Gleise erfolgt die Instandsetzung, anschließend geht es wieder zurück zum Prüfzentrum.
Zudem werden die Arbeitsstände in der großen Halle neu gestaltet. So sollen auch die Bedingungen für die Mitarbeiter verbessert werden. „Insgesamt wird damit die Bearbeitung zügiger und kostengünstiger abgewickelt“, erklärt Werkleiter Michael Otto. Ziel ist es, die Durchlaufzeit der Fahrzeuge zu verkürzen.
Probebetrieb ab Februar geplant
Doch mit der Schnelligkeit beim Bau, da hapert es gewaltig. Spatenstich war im März 2014, in Betrieb gehen sollte das Prüfzentrum bereits vor einem Jahr. Ein Umstand, der Werkleiter Michael Otto die Zornesfalten auf die Stirn treibt. Planungsbüro und Baufirmen, Namen nennt er nicht, hätten besser und schneller arbeiten müssen.
„Die Bedeutung und Tragweite dieses Prüfzentrum haben offenbar nicht alle verstanden.“ Der Bau in Dessau ist ein Unikat. „Ein solches Prüfzentrum gibt es in Europa nirgends“, sagt Otto.
Und bezogen auf Verzögerungen und Kostenerhöhungen: „In Dessau ist es wohl wie bei vielen Großbaustellen in Deutschland.“ Ein Richtfest gab es nicht. Klar ist schon jetzt, dass sich die Kosten um ein Viertel erhöhen. Genaue Summen will Otto nicht nennen. „Der Plan ist, dass die neue Halle im Februar testweise in Betrieb geht. Ich hoffe, wenigstens darauf können wir uns verlassen.“ (mz)