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Crystal auf Vormarsch Crystal Meth auf Vormarsch: Stadt Dessau-Roßlau will mit Präventionsnetzwerk und Fachstelle gegenwirken

Von Sylke Kaufhold 09.06.2019, 07:00
Methamphetamin-Kristalle
Methamphetamin-Kristalle imago/Zuma Press

Dessau-Roßlau - Dessau-Roßlau sagt „Nein zu Drogen“ - Nicht Lippenbekenntnis soll dieser Slogan sein, sondern gelebte Maxime in allen Bereichen der Stadt wünscht sich der Beigeordnete für Soziales, Jens Krause.

Aus einem alarmierenden Grund: In der Stadt hat der Konsum von Crystal Meth seit 2009 dramatisch zugenommen. Waren es 2010 vier Konsumenten, die bei der Suchtberatungsstelle des Diakonischen Werkes Bethanien Hilfe suchten, stieg die Zahl bis 2016 auf 99. Die Dunkelziffer dürfte riesig sein. Denn nicht jeder Meth-Konsument sucht sich Hilfe und - was ebenfalls schwer ins Gewicht fällt - viele Konsumenten sind gar nicht mehr in der Lage, Hilfe zu suchen und in Anspruch zu nehmen.

Spürbar wird der gestiegene Crystal Meth-Konsum in vielen Bereichen. So berichtet das Polizeirevier von hoher Beschaffungskriminalität in Form von Einbrüchen und Diebstählen sowie von einer gestiegenen Zahl Drogenfahrten, vor allem in den Abend- und Nachtstunden. Die Kinderklinik des Städtischen Klinikums meldet eine alarmierende Zunahme von Neugeborenen, deren Mütter Drogen konsumier(t)en . Was nicht nur ein gesundheitlich-medizinisches Problem ist. Denn oftmals sind diese Mütter und Väter nicht in der Lage, aufgrund ihrer Drogenabhängigkeit ihre Kinder ordentlich zu versorgen.

Öffentlichkeit soll insgesamt für Probleme beim Drogenkonsum sensibilisiert werden

Die Stadtverwaltung sieht deshalb dringenden Handlungsbedarf und initiiert die Gründung eines stadtweiten Präventionsnetzwerkes, das die verschiedenen Akteure wie Klinikum, Polizei, Suchtberatungsstellen, Jugendamt und Gesundheitsamt bündeln will. „Jeder nimmt die Entwicklung bisher für sich wahr“, erklärt Jens Krause, „wir müssen aber gemeinsam reagieren und präventiv tätig werden, um die Öffentlichkeit zu sensibilisieren.“ Thematisierung statt Tabuisierung sei ein wesentliches Ziel des Netzwerkes, die zielgerichtete und fachlich fundierte Präventionsarbeit das Mittel.

Doch nicht nur auf die Problematik Crystal Meth sollen sich die Aktivitäten des Präventionsnetzwerkes beschränken. Es gehe um jede Art der Drogenkonsums, so der Beigeordnete, zumal die Erfahrungen zeigen, dass immer wieder neue Drogen auf den Markt kommen und neue gesundheitsgefährdende Verhaltensweisen aktuell werden.

Sven Trautwig bestätigt dies. Denn auch in seiner Tätigkeit habe sich Crystal Meth nicht als einziges Problem herauskristallisiert, sagt der Streetworker, „aber Marihuana ist bei den Jugendlichen weit verbreitet“. Das sei das neue Rauchen, wobei es bei den Jugendlichen keinerlei Schuldbewusstsein gibt.

Inbetriebnahme einer Fachstelle für Suchtprävention geplant

„Die Gefährlichkeit als Einstiegsdroge Nummer 1 wird absolut nicht gesehen und es fehlt jedes Verständnis, wenn etwas dagegen gesagt wird“, so seine Erfahrungen. Auch Trautwig sieht deshalb großen Handlungsbedarf in der Präventionsarbeit. Denn eines sei klar: Nur, weil die Drogenkriminalität auf der Straße nicht mehr sichtbar ist, heiße das nicht, dass es sie nicht gibt. „Das passiert heute dezentral, viel über Handy und Bringedienste in Wohnungen“, so Trautwig. Auch deshalb sei der Stadtpark kein Drogenumschlagplatz mehr.

Mit der Gründung des Netzwerkes einhergehen soll die Inbetriebnahme einer Fachstelle für Suchtprävention, die der Suchtberatungsstelle des Diakonischen Werks Bethanien angegliedert wird. Die Prävention sei in den letzten Jahren ein eigener Schwerpunkt der Suchtberatung geworden, erklärt Joachim Stopp, Geschäftsbereichsleitung der Suchtkrankenhilfe Bethanien. „Das Land hat dies erkannt und will den Bereich ausbauen.“

Das Land fördert die Fachstelle, wenn auch die Kommune bezuschusst. „Unser Konzept wurde vom Land bestätigt, die Förderung haben wir beantragt“, berichtet Joachim Stopp. „Nun hoffen wir, dass wir am 1. Juli starten können.“ Eine halbe Vollzeitkraft wird sich mit der Präventionsarbeit beschäftigen. „Die Fachstelle informiert Kinder und Jugendliche über Suchtgefahren sowie suchtgefährdende Verhaltensweisen mit dem Ziel, Abhängigkeit zu vermeiden“, erklärt Joachim Stopp. (mz)

Crystal Meth ist ein Meth-Amphetamin mit hohem Suchtpotenzial, das als Aufputschmittel missbraucht wird. Es ist relativ leicht und preiswert herzustellen und hat fatale Auswirkungen auf Körper und Psyche.

Auf Dauer schädigt es Nervenzellen im Gehirn unwiderruflich. Viele Konsumenten leiden unter Paranoia, Depressionen und können tagelang nicht schlafen. Sie verspüren weder Hunger, Durst noch Schmerzen. Der Entzug ist sehr schwer. Viele Betroffene sind danach nicht mehr erwerbsfähig.