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Cranach-Bibel Cranach-Bibel: Glückliches Ende einer jahrzehntelangen Irrfahrt

Von Andreas Hillger 15.02.2011, 17:25
Der seit dem Zweiten Weltkrieg verschollen geglaubte erste Teil einer dreiteiligen Prachtbibel aus dem Jahre 1541 wird im Landeshauptarchiv in Dessau-Roßlau gezeigt. (FOTO: DPA)
Der seit dem Zweiten Weltkrieg verschollen geglaubte erste Teil einer dreiteiligen Prachtbibel aus dem Jahre 1541 wird im Landeshauptarchiv in Dessau-Roßlau gezeigt. (FOTO: DPA) dpa-Zentralbild

Dessau/MZ. - Auf der Website der Internet-DatenbankLostart wurde die "Biblia: das ist: die gantzeHeilige Schrift, Deutdsch, Auffs new zugericht.D. Mart. Luth." am Dienstag noch als vermisstgemeldet, Mittwoch aber können die MagdeburgerKulturgut-Detektive zumindest diesen Fallzu den Akten legen: Mit Hilfe der Kulturstiftungder Länder und des Kultusministeriums Sachsen-Anhaltist der erste der drei Bände aus dem Jahr1541 zu seinem rechtmäßigen Besitzer - derAnhaltischen Landesbücherei - zurückgekehrt.Und damit ist die kostbare Bibel-Trilogie,die der Wittenberger Buchdrucker Hans Lufftfür den Fürsten Georg III. von Anhalt hergestellthat, wieder vollständig.

Obwohl über den zwischenzeitlichen Verbleibund über die Kaufsumme des wertvollen BandesStillschweigen vereinbart wurde, finden sichauf der Lostart-Seite zumindest einige Hinweisezum Schicksal des Buches. Demnach hatte einsowjetischer Offizier das Werk, in dem dasAlte Testament vom ersten Buch Mose bis zumBuch Esther zusammengefasst ist, 1945 einerdeutschen Familie gegeben - als Entschädigungdafür, dass Soldaten deren Auto entwendethatten. Im Mai 1950 wurde die reformationsgeschichtlicheRarität dann auf einer Auktion in Münchenangeboten - allerdings nicht verkauft, weilsich die Dessauer Staatsanwaltschaft gemeinsammit westdeutschen Kollegen um die Herausgabebemühten.

Ein wichtiges Indiz dafür, dass es sich tatsächlichum das anhaltische Exemplar handelte, liefertendamals zwei fehlende Blätter, die sich bisheute im Besitz der Stadt Dessau befinden.Da die Rückforderung allerdings erfolglosblieb, verlor sich die Spur der Bibel. Ineinem Brief aus dem Jahr 1999 konnte GabrieleSchneider, Direktorin der Anhaltischen Landesbücherei,lediglich auf die beiden Kinder der inzwischenverstorbenen, mutmaßlichen Besitzerin verweisen,die offenbar in Deutschland und in den USAlebten.

Als der Band am Dienstag nach Dessau zurückkehrte,endete also eine Odyssee, die während desZweiten Weltkrieges mit der Auslagerung derGeorgs-Bibliothek in das Forsthaus Nedlitzbegonnen und von dort in den Luftschutzkellerder Schloss-Schule Zerbst geführt hatte. Anbeiden Orten gab es Plünderungen, die auchzum Verlust eines zweiten Bibel-Bandes geführthatten. Dieser konnte bereits 1996 mit Hilfeder Kulturstiftung der Länder zurückgewonnenwerden.

Deren stellvertretender Generalsekretär MartinHoernes sagte am Dienstag, dass Sachsen-Anhalteine besondere Rolle in den Stiftungs-Aktivitätenzukomme. Immer wieder sei es gelungen, verloreneKunstgegenstände für das Land zurückzugewinnen -beispielsweise ein Alabasterrelief für denHalberstädter Dom oder die Cranach-Gemäldeaus der Dorfkirche in Klieken. Zur Werkstattdes Wittenberger Renaissance-Meisters hatnun auch der jüngste Fund eine besondere Beziehung:Immerhin enthält die Bibel neben ganzseitigenAutografen der Reformatoren Martin Luther,Philipp Melanchthon, Johannes Bugenhagen undCaspar Cruziger auch 60Holzschnitte aus CranachsWerkstatt, zudem ist es mit vergoldeten undilluminierten Initialen geschmückt.

Dass der Buchdeckel mit den Messingschließenein wenig gewölbt ist, schmälert laut Hoernesden guten Zustand der Bibel kaum. Dass sieim übrigen von zentraler lokalhistorischerBedeutung für das Land Anhalt ist, das imkommenden Jahr sein 800-jähriges Bestehenfeiern will, liegt in der Person des Auftraggebers:Der 1507 in Dessau geborene Georg III. warals 17-Jähriger zunächst zum katholischenPriester geweiht und danach zum Dompropstin Magdeburg ernannt worden. Als er sich nachdem Tod seiner strenggläubigen Mutter Margarethevon Münsterberg ab 1530 die Dessauer Regentschaftmit seinen Brüdern Johann und Joachim teilte,konvertierte er zum lutherischen Glauben -und führte 1534 den Protestantismus in Anhalt-Dessauein. Luther selbst soll den Wunsch geäußerthaben, "so fromm und unschuldig wie Georgzu sein". Ein Zeugnis für diese Geisteshaltungist die dreibändige Bibel, die nun - 458 Jahrenach dem Tod ihres ersten Besitzers - wiederglücklich vereint ist.