Cheerleading Cheerleading: Ein Amerikaner in Dessau

dessau/MZ - Groß ist er. Das fällt auf. Und seine blauen Augen. Die blicken erwartungsvoll in die Sporthalle des Philanthropinums. Er fährt sich noch einmal mit der Hand durch das Haar, dann rennt er los. „Ich muss mich dehnen“, ruft er noch, fast entschuldigend, mit seinem sympathischen Akzent, dann steht er auf der Matte. Die Cheerleading-Gruppe der Black White Cats des SV Dessau 05 um Trainerin Andrea Hausdörfer nimmt Aufstellung. Mittendrin der große junge Mann mit den lebendigen Augen. Er geht leicht in die Hocke, holt Schwung mit seinen Armen und macht einen Salto rückwärts. Einfach so.
„Vorher war ich ein Nerd“
Justin Brice (31) stammt aus Shreveport (Louisiana), USA, lebt seit November 2012 in Dessau und arbeitet als Sprachlehrer bei Inlingua. Bereits im Jahr 2000 ist er das erste Mal in Deutschland gewesen, damals in Köln. Seitdem ist er viel herumgekommen. Sein Weg führte ihn unter anderem durch Österreich, Frankreich und Spanien. In der Schweiz studierte er ein Jahr lang Germanistik. Auf Hawaii blieb er zwei Jahre als Student für Englisch als Fremdsprache. Neben Englisch und Deutsch spricht Brice fünf weitere Sprachen.
Auf Hawaii finanzierte Brice sich sein Studium durch Sport. Einen in Deutschland eher wenig betriebenen, aber in Dessau groß geschriebenen: Justin Brice ist Cheerleader.
Brice kam recht spät dazu, mit 17, und eher durch Zufall. Eine Bekannte hatte ihn darauf aufmerksam gemacht, dass viele Mädchen diese Sportart betreiben. „Genau diesen Mädchen wollte ich näher kommen“, grinst Brice, „bis dahin war ich eher ein Nerd.“ Brice begann mit dem Training - und mit den Mädchen klappte es nun.
Freitags von 18 bis 20 Uhr in der Turnhalle Philanthropinum
Sonntags von 11 bis 13 Uhr in der Turnhalle Mauerstraße/PSV im Wechsel
Dienstags von 17 bis 18.30 Uhr in der Turnhalle Philanthropinum
Freitags von 16- bis 18 Uhr in der Turnhalle Philanthropinum
Mittwochs von 17 bis 18.30 Uhr in der Turnhalle Philanthropinum (Spiegelsaal)
Freitags von 17 bis 18.30 Uhr in der Turnhalle Philanthropinum (Spiegelsaal)
Mittwochs von 16.45 bis 17.45 Uhr in der Turnhalle Philanthropinum
„Das Wichtigste, was diesen Sport betrifft, ist neben dem Dehnen der Muskulatur das Schützen der Mädchen“, erklärt Brice. „Sie müssen richtig gehalten werden, wenn sie oben stehen, und aufgefangen werden, wenn sie fallen.“ Die Konzentration sei der bedeutendste Punkt, vor allem für die Jungen. Aber auch die richtige Atemtechnik will gelernt sein, schließlich erfordere der Sport Ausdauer. Die deutschen Jungen aus seinem Team würden ihre Kameradinnen in seinen Augen noch zu wenig sichern. „Da haben sie Nachholbedarf.“
Aber das ist auch schon die einzige Kritik, die der Amerikaner äußert. Ansonsten gefallen ihm insbesondere das deutsche Training und das deutsche Bildungssystem. „Die Deutschen sind sehr fleißig und nett“, so Brice. Hier stünde im Sport vor allem der Spaß im Vordergrund, was angenehm sei. „Mein ,Doping’ im Cheerleaden sind das Klatschen und das Anfeuern der spielenden Mannschaft, und natürlich das Hochwerfen der Mädchen“, lacht Brice.
In Amerika sei es im Allgemeinen etwas anders. „Es ist mehr Show, den Männern geht es insbesondere um ihr gutes Aussehen, um einen Waschbrettbauch.“ Anabolika zu nehmen sei leider an der Tagesordnung. „Es ist ein Kampf um Perfektion und Selbstvernichtung“, erzählt Brice und wird leise. Auch Drogen sind Gang und Gäbe - und damit ein großes Problem in seinem Sport. In dem Sport, den er so liebt.
Arbeit als Trainer
Neben seiner eigenen Aktivität war Brice auch als Trainer tätig, und dies sowohl in seiner Heimat USA als auch in Japan. „Die Japaner sind stets höflich, aber sie wahren fortwährend ihr Gesicht, und man weiß nie, was sie tatsächlich denken, sie reden nicht offen.“ Justin Brice ist da anders. Lebhaft und offenherzig. Im Training fällt er zwischen seinen jüngeren Partnern kaum auf. Trainerin Andrea Hausdörfer betont: „Er ist eine Bereicherung für die Black White Cats. Und dabei so bescheiden, obwohl er so viel Erfahrung mitbringt“. Die Gemeinschaft ist Justin Brice wichtig.
„Einsamkeit ist nicht gut“, sagt Brice mehrfach, auch wenn er kein Heimweh hat. Es seien eher Kindheitserinnerungen, denen Brice nachhänge. Und Freunden, die durch Facebook zu elektronischen Freunden geworden sind. Denen er seit Montagabend aber wieder ganz nah ist. Da nämlich hob sein Flugzeug ab, das ihn über Weihnachten für zwei Wochen nach Hause zu seiner Familie nach Shreveport gebracht hat. „Weihnachten ist hier in Deutschland noch wichtiger, aber ich freue mich einfach darauf, alle wiederzusehen.“
Dann denkt er auch einmal nicht ans Training. Und doch ist es beeindruckend, was Brice leistet. Wie an diesem Tag: Eine Trainingspartnerin steht vor ihm auf der Matte. Brice geht in die Hocke, bildet mit den Händen eine Räuberleiter, das Mädchen setzt einen Fuß hinein. Jäh steht der Amerikaner auf und streckt seine Arme nach oben aus. Das Mädchen dreht sich nach vorn, steht kerzengerade über ihm, ihre Arme sind gerade heraufgestreckt, die Hände zu Fäusten geballt. Justin hält sie, sekundenlang, als wäre es eine federleichte Angelegenheit. Immer wieder. Es sieht leicht aus - und ist doch schwer.