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Brutale Tat am Dessauer Bahnhof Brutale Tat am Dessauer Bahnhof: Broschüre arbeitet Mord an Hans-Joachim Sbrzesny auf

Von Annette Gens 11.01.2019, 11:14
Das Titelblatt der Broschüre über Hans-Joachim Sbrzesny.
Das Titelblatt der Broschüre über Hans-Joachim Sbrzesny. Beratungsstelle für Opfer rechter Gewalttaten

Dessau - Er hat Höllenqualen erlitten, als er in der Nacht zum 1. August 2008 von zwei Unbekannten aus dem Schlaf von einer Parkbank gerissen und von Tritten auf Kopf und Oberkörper getroffen wird. Die Täter lassen von dem 50-Jährigen noch nicht einmal ab, als dieser röchelnd am Boden liegt.

Einer der Täter greift zu einem fünf Kilo schweren Mülleimer und schlägt damit auf sein Opfer ein. Dabei werden zahlreiche Halswirbel, Rippen und Knochen zertrümmert. Der schwer verletzte Hans-Joachim Sbrzesny stirbt neben seinem Schlafplatz. Getötet wurde der Hallenser auf dem Platz vor dem Hauptbahnhof Dessau.

Die Dessauer Beratungsstelle für Opfer rechter Gewalttaten erinnert jetzt mit einer Broschüre an den Mord vom Dessauer Bahnhofsvorplatz vor zehn Jahren. Sie kämpft darum, dass der Mord an dem 50-Jährigen Hans-Joachim Sbrzesny von der Landesregierung als rechte Straftat anerkannt wird. „Wir wollen, dass an die Tat und das Opfer erinnert werden“, sagte Projektleiter und Opferberater Marco Steckel und denkt an eine Gedenkplatte am Tatort.

In seinem letzten Wohnort wird der 50-Jährige Sbrzesny als Überlebenskünstler bezeichnet

In der neu erschienenen Broschüre gibt Opferberater Alexander Kolsch dem Hallenser Sbrzesny ein Gesicht. „Bislang wurde Sbrzesny als Obdachloser aus Halle bezeichnet, der 50 Jahre alt wurde und psychisch gestört war“, sagt Kolsch und weiß, über die Täter ist mehr bekannt. Während seiner Recherchen erfuhr Kolsch, dass Sbrzesny in seinem Leben zwar öfter auf der Straße gelebt habe, aber auch im Paul-Riebeck-Stift ein festes Zuhause hatte.

Sbrzesny wurde in seinem Leben offenbar nie verwöhnt. Im Alter von zwei Jahren lebte er im Kinderheim. Eine geistige Beeinträchtigung erschwerte ihm die Schule, später die beruflichen Chancen und soziale Integration. Er wurde Teilfacharbeiter, arbeitete als Hilfsarbeiter, verdiente seinen Lebensunterhalt. Nach der politischen Wende allerdings erwartete ihn wie Tausende andere Menschen die Arbeits- und Perspektivlosigkeit.

Es folgt ein Leben auf der Straße, Obdachlosigkeit und das Leben im Halleschen Stift. In seinem letzten Wohnort wird der 50-Jährige als Überlebenskünstler bezeichnet, der es trotz zahlreicher Hindernisse auf seine eigene Weise stets geschafft habe, zurecht zu kommen. Manchmal genoss er seine Freiheit, setzte sich in einen Zug und übernachtete unter freiem Himmel. Gerade das war ihm in Dessau zum Verhängnis geworden.

In der Broschüre zeichnet Kolsch nicht nur Sbrzesnys Leben nach

In der Broschüre zeichnet Kolsch nicht nur Sbrzesnys Leben nach, sondern gibt Einblicke in die Begründung des Gerichtsurteils und hinterfragt, ob Sbrzesny Zufallsopfer war. In der Urteilsbegründung hieß es, dass die beiden Angeklagten Sbzresny nur deshalb angriffen, „weil der Angeklagte zuvor schlechte Laune bekommen hatte und jemanden prügeln wollte“. Auf ihren rechtsextremen Hintergrund, auf die rechte Musik im Handy, die Kleidung, gibt das Gericht kaum Hinweise, so Kolsch.

Auch nicht, dass der Mord vom Hauptbahnhof von seiner Begehungsweise her an den Mord von Potzlow erinnert, der 2002 bundesweit Entsetzen auslöste. In dem brandenburgischen Dorf hatten Skinheads einen Schüler zu Tode gequält. Das Opfer musste in die Kante des Schweinetrogs beißen, dann sprang ihm ein Täter auf den Kopf. Sbzresny musste in die Latte einer Parkbank beißen, dann wurde er brutal gepeinigt.

Schlechte Laune als Tatmotiv?

„Mit dem Tatmotiv der schlechten Laune kann das Gericht den berechtigten Ansprüchen von Hinterbliebenen und der Öffentlichkeit nicht gerecht werden“, argumentiert Kolsch. Ihm ist es ein Anliegen, auf die Gefahren gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit aufmerksam zu machen.

Sbrzesny sei das offenbar widerfahren. Möglich wurde die Broschüre über Sbrzesny innerhalb des Projekts „Partnerschaft für Demokratie“ . Sie ist im Multikulturellen Zentrum erhältlich, kann aber auch im Internet heruntergeladen werden. (mz)

Download unter multikulti-dessau.de