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Bootsfrau Marlies Bootsfrau Marlies: In Roßlau war Binnenschifffahrt nie ausschließlich Männer-Domäne

Von Silvias Bürkmann 15.12.2019, 13:00
Marlies Pötzsch hält die Erinnerung an den Motorschlepper Otto wach. Der fährt heute als „Ursel“ unter niederländischer Flagge.
Marlies Pötzsch hält die Erinnerung an den Motorschlepper Otto wach. Der fährt heute als „Ursel“ unter niederländischer Flagge. Lutz Sebastian

Dessau - Sie waren Legenden der Mittelelbe-Binnenschifffahrt: Die Roßlauer Motorschlepper namens „Otto“. In zwei Generationen und Modellen gefahren von den Schiffseignern Pötzsch. Unvergessen auch fünf Jahre nach dem Tod von Otto Pötzsch. Schiffer. Lotse. Buchautor.

Vater und Sohn hießen beide mit Vornamen Otto. Der Senior nannte sowohl seinen in Dresden Laubegast gebauten Schlepper Otto, wie auch seinen 1936 geborenen Jungen. Das „Elbe-Patent“ befugte Otto Pötzsch, d.Ä. den Fluss von Hamburg bis rauf ins tschechische Melnik zu befahren.

Der Junior lernte neben Mathe zeitig das Einmaleins von Poller, Tau und Winde. Den Schlepper aber bekam er nicht - der wurde nach Kriegsende 1945 beschlagnahmt von der Sowjetischen Militäradministration als Reparationsleistung. Zur Übergabe lenkte Pötzsch sen. „OttoI.“ nach Stettin. Danach verlor sich die Spur.

Blutjunge Marlies Rehfeldt gelangte in Roßlauer Schiffer-„Dynastie“

Nicht aber die Passion von „Pötzschens“ für die Binnenschifffahrt auf der Elbe. Ein zweiter Otto wurde gebaut. In dunklen Nachkriegsjahren auf abenteuerliche Art und Weise, um die sich bis heute Legenden ranken. Versteckt worden sei der halb fertige Schiffskörper bei Vockerode am „Schwarzen Wasser“ vor wiederholt befürchtetem Zugriff der Oberen. Vater Pötzsch arbeitete beim Brückenbau in Vockerode, nach Feierabend und Schulschluss werkelten Senior und Junior dann gemeinsam in zweiter Schicht am Schiff. „OttoII.“ wurde 1950 in Dienst gestellt.

In diese Roßlauer Schiffer-„Dynastie“ gelangte die blutjunge Marlies Rehfeldt, als sie als 16-jährige Schülerin ihre Schwester besucht, von Otto jun. gesehen und auf die Tanzfläche der „Freundschaft“ geholt wird. Drei Jahre später ist sie seine Ehefrau.

Und seit 1967 fuhr die junge Frau Pötzsch mit ihrem Mann auf dem Schlepper. Klar kocht sie auch Kaffee und Essen. Ihre Hauptrolle aber ist die Arbeit als Bootsmann und rechte Hand des Schiffsführers. „Mein Otto hatte mich gefragt, ob ich mir ein Berufsleben auf dem Schlepper vorstellen kann. Ich habe ja gesagt und auch dieses Ja nie bereut.“

Knochenarbeit, manchmal 16 Stunden am Tag

Also fährt die junge Familie Pötzsch mit ihrem Schlepper selbstständig elbauf und elbab. Erstes Haupteinsatzgebiet sind Materialtransporte für den Brückenbau. Stahlbau Dessau war beim Wiederaufbau der Eisenbahnbrücke bei Barby zugange, Schlepper Otto bugsierte Ladung zur Baustelle.

„Nach den Brücken kamen die Magdeburger Häfen“, erinnert sich Marlies Pötzsch. Im Handelshafen, Industriehafen und am Trennungsdamm zum Mittellandkanal waren Ottos Lieferungen gefragt. Knochenarbeit, manchmal 16 Stunden am Tag. „Aber was sollte man machen“, zuckt Marlies Pötzsch die Schultern. Nach zehn Jahren machte die Familie erstmals Urlaub, für acht Tage in der Tschechei.

In den 80er Jahren platzte ein Auftrag mitten ins Weihnachtsfest, wurde Otto Pötzsch am 1. Feiertag zur Nachtschicht nach Magdeburg gerufen. Heiligabend aber habe man sich immer freigehalten. Das Faible Schifffahrt war längst vererbt an die zwei Söhne. Andreas, geboren 1968, kam mit sechs Wochen erstmals an Bord, wie auch der vier Jahre jüngere Christian. Heute ist der Große Bauingenieur, der Kleine Kfz-Mechaniker. Und Enkelin Hanna aktuelle Roßlauer Schiffernixe. (mz)

„Kurz vor Buffalo“ noch im Juli 1990 ausgestellt: Der Facharbeiterbrief.
„Kurz vor Buffalo“ noch im Juli 1990 ausgestellt: Der Facharbeiterbrief.
Lutz Sebastian
Schlepper Otto in Aken.
Schlepper Otto in Aken.
Pötzsch