Bleibt Ragösen bei Coswig, wird es Roßlau oder Dessau?
Ragösen/MZ. - Ein ähnliches Ergebnis hatte in Ragösen eine Befragung mit gleichem Wortlaut bereits 2001 ergeben, als sich die Gemeinden in einer vom Land vorgegebenen "freiwilligen Phase" zu größeren Verwaltungseinheiten zusammenfinden sollten. Auf Antrag eines Gemeinderats-Mitgliedes sei die Bürgerbefragung nun wiederholt worden, informiert der Ragösener Bürgermeister Dr. Dietmar Reiche. Anliegen sei es wohl gewesen, die Stimmung in der 235 Einwohner zählenden Gemeinde erneut zu erforschen. "Es gibt ja jetzt auch einige Änderungen, zum Beispiel im Verhältnis zwischen Dessau und Roßlau", spielt Reiche auf die angestrebte Städtefusion an.
Dringenden Handlungsbedarf für den Gemeinderat sieht der Bürgermeister angesichts der Anhörung nicht. "Wir werden das Ergebnis auf der nächsten Gemeinderatssitzung am 14. Februar beraten", sagt Reiche, der nicht glaubt, dass dann schon eine Entscheidung zur Eingemeindung fallen wird. "Wir haben ja bis Jahresende Zeit", meint er und fügt hinzu, erst solle die "große Politik" eine Entscheidung über die künftigen Kreisstrukturen und die Stadt-Umland-Verhältnisse fällen, ehe kleine Gemeinden ihre Beschlüsse dazu fassen.
In Jeber-Bergfrieden hat man für den Fall, irgendwie zu einer gemeinsamen Grenze mit Roßlau zu kommen, einen Gebietsänderungsvertrag zur Eingemeindung schon fix und fertig in der Schublade. Denkbar wäre, dass sich nun eine künftige Großstadt Dessau-Roßlau in den Fläming hinein bis an die Grenze Brandenburgs erstrecken könnte, denn Ragösen wäre das fehlende Bindeglied.
Der Jeber-Bergfriedener Bürgermeister Kurt Schröter bleibt aber trotz des Votums der Ragösener skeptisch: Der Ragösener Gemeinderat sei schließlich nicht an das Ergebnis der Anhörung gebunden. Eine andere Frage sei, "ob wir die Eingemeindung überhaupt noch wollen, weil wir uns damit schaden könnten". Im Hinblick auf eine mögliche Städtefusion Dessau-Roßlau fürchtet Schröter zum Beispiel um die Grundschule und die Kindertagesstätte in Jeber-Bergfrieden. Auch denkt er, "dass von Dessauer Seite gar nicht so großes Interesse an unserer Gemeinde besteht wie etwa an Rodleben", da sie weder über Wirtschaftskraft noch über so viele Einwohner verfüge.
Neue Unruhe hat das Ragösener Abstimmungs-Ergebnis aber zumindest in die Verwaltungsgemeinschaft Coswig getragen, die erst Ende des vergangenen Jahres per Magdeburger Zuordnung um sieben Gemeinden aus der ehemaligen VG Rosseltal angewachsen war. Doris Berlin, Coswiger Bürgermeisterin und Leiterin des gemeinsamen Verwaltungsamtes der VG Coswig, weiß darum, dass die Entscheidung über einen Schritt in Richtung Eingemeindung nach Roßlau nun dem Gemeinderat obliegt und diese noch nicht vorliegt. Aber fallen kann sie in die eine wie die andere Richtung. Fällt sie in Richtung Roßlau, dann sieht Doris Berlin Jeber-Bergfrieden nachziehen. Angesichts des bereits vorliegenden Gebietsänderungsvertrages in Jeber-Bergfrieden sagte sie: "Für mich wäre es Normalität, dass - wenn Ragösen zieht - Jeber-Bergfrieden nachziehen würde."
Diese "Normalität" aber würde in der Coswiger Verwaltungsgemeinschaft wiederum die Karten neu mischen. Bedeutete laut Berlin eine erneute Umstellung, für die Mitarbeiter, die mit in die Verwaltung gekommen sind. Und für die gesamte Verwaltung natürlich auch.
Doris Berlin meint: "Aber es ist Bürgerwille, und ich habe den zu akzeptieren." Wobei für sie auch die Frage steht: "Was sagen Dessau und Roßlau dazu?" Angesichts der Fusionspläne beider Städte könne sie sich nicht vorstellen, dass der Bürgermeister von Roßlau eine solche Eingemeindung noch im Alleingang vollziehen würde. "Er würde das sicher mit seinem Amtsbruder aus Dessau besprechen", ist sie sicher.
Diesen Amtsbruder Koschigs in Dessau zu erreichen, war der MZ am Freitag nicht vergönnt. Der Roßlauer Bürgermeister war von der Ragösener Anhörung allerdings überrascht. Offiziell hatte ihn noch keine Nachricht darüber erreicht. Doch für Klemens Koschig liegt klar auf der Hand: Entscheidet sich der Ragösener Gemeinderat gegen eine Eingemeindung nach Roßlau, dann bleibt alles wie gehabt, die VG Coswig bleibt so bestehen.
Nimmt der Gemeinderatsbeschluss Kurs auf die Eingemeindung, dann "wird es sicher erst einmal eine Kontaktaufnahme geben", sagt Klemens Koschig. "In diesem Fall plädiere ich dafür, den Roßlauer Bürgerentscheid zur Städtefusion mit Dessau abzuwarten." Dann müsse sich der Stadtrat zu der Frage positionieren. Dazu komme, dass die Fairness Dessau gegenüber gebiete, die dortigen Vertreter zu Rate zu ziehen.