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Traditionslokal gibt auf Bittere Nachrichten - Pächterhaus „Alte Schäferei“ in Dessau-Ziebigk schließt zum Monatsende

Ende August gehen in Dessaus erster gastronomischer Adresse, dem Pächterhaus in Ziebigk, die Lichter aus. Was das Pächterhaus so schwierig macht und was nun aus dem historischen Gebäude wird.

Von Annette Gens Aktualisiert: 17.08.2022, 17:34
Ende August gehen in Dessaus erster gastronomischer  Adresse  - im Pächterhaus - die Lichter aus.
Ende August gehen in Dessaus erster gastronomischer Adresse - im Pächterhaus - die Lichter aus. (Foto: Thomas Ruttke)

Dessau/MZ - Es ist eine gute Tradition, das historische Pächterhaus in Ziebigk alljährlich für den Advent herauszuputzen. Doch letzten Advent war alles anders, erzählt Matthias Brief, einer von zwei Geschäftsführern der Brief & Hesse GmbH.

Als er die Glühbirnen am Dach reindrehte, die das Fachwerkhaus und damit das Ziebigker Vorzeige-Restaurant zum Strahlen bringen sollen, fand er, dass irgendetwas nicht in den Bahnen verläuft, die er sich erhofft hatte. Wochen später- mit dem Ukraine-Krieg und den damit verbundenen explodierenden Energiepreisen war klar, was „unrund“ ist, sagt Brief rückblickend. In dieser Woche hat der Dessauer Gastronom für das Pächterhaus die Reißleine gezogen.

Die Tage der Gaststätte Pächterhaus - Alte Schäferei - sind gezählt. „Ende August werden wir schließen“, sagt Brief tieftraurig und andererseits aber auch konsequent. Schließungsgrund sei nicht etwa die Corona-Pandemie, durch die das Team dank Hilfen vom Staat und Kurzarbeit glimpflich gekommen ist. Grund seien die hohen energetischen Kosten, die künftig im Haus definitiv anfallen. „Und wir wissen nicht, was da auf uns zukommt und ob wir diese Kosten schultern können.“

Das Pächterhaus war einst von der Dessauer Stadtsparkasse gerettet worden. Aus der Ruine eines der ältesten Gebäude in Ziebig wurde in den Jahren 2000 bis 2001 dank Sparkasse ein Schmuckstück, das ein Restaurant beherbergt. Es wurde gleich mit dem ersten Pächter zur allerersten gastronomischen Adresse der Stadt, es regnete in der Folge förmlich gastronomische Auszeichnungen.

Das alte Pächterhaus ist energetisch ein Desaster

Das Denkmal Pächterhaus ist allerdings energetisch ein Desaster: Die historischen und hübsch anzusehenden Fenster sind dünn verglast. Das Dach des Gebäudes ist ungedämmt. Die rund 500 Quadratmeter Nutzfläche müssen stets gut durchlüftet werden, damit der Schimmel keine Chance hat, sich im Haus festzusetzen. Be- und Entlüftung kosten vor allem im Winter viel Energie, schildern die Noch-Pächter. Wieviel Geld das aktuell sein könnte, kann nicht abgewartet werden. In dieser Situation mit dem Gebäude-Eigentümer einen neuen Pachtvertrag für weitere fünf Jahre abzuschließen - dieses Risiko konnten und wollten die beiden Gastronomen Brief und sein Partner Manfred Hesse nicht eingehen.

Sie müssen ihre anderen Gastronomien Schlemmerhouse und Cu-Bar in der Zerbster Straße sowie das Walderseeer Eiscafé Louise durch solides Fahrwasser bringen. Die Zukunft im Pächterhaus wäre zu ungewiss, meint Matthias Brief auch mit Blick auf das geänderte Verbraucherverhalten. Essen werde seit der Inflation Luxusgut und immer weniger nachgefragt, so seine Beobachtung. Brief sieht da einen deutschlandweiten Trend. Gerade die hochrangige Gastronomie sei betroffen.

Pächterhaus ist im Restaurantführer Gault Millau in jedem Jahr ausgezeichnet wurden

Im Pächterhaus, das seit 2018 mit der Übernahme von Brief und Hesse in Regie ihres Unternehmens geführt wird, ist eines von fünf Restaurants in Sachsen-Anhalt, die im Restaurantführer Gault Millau in jedem Jahr ausgezeichnet wurden. „Der Erfolg unserer Gaststätte hängt an den Mitarbeitern- beginnend mit dem Koch Gerald Schulze und seinem Team und dem damaligen gastronomischen Leiter Andreas Peucker samt Team“, schildert der Pächter.

Die haben das Pächterhaus zu dem gemacht, was es ist. In jedem Jahr wurde das Restaurant für seine gute Küche und den Service vom Gault Millau ausgezeichnet. „Wir alle haben in den vergangenen fünf Jahren viel Herzblut investiert. Das Team und auch meine Familie“, sagte Brief. Es sei viel unternommen worden, um den Gästen einen unvergesslichen Abend zu gestalten.

Wie aber sieht die Zukunft des Pächterhauses aus?

Wie aber sieht die Zukunft des Pächterhauses aus? Die beiden Dessauer Gastronomen wollen das Fachwerkhaus zum diesjährigen Advent noch einmal schmücken. Obwohl die Türen verschlossen bleiben. Das gehöre irgendwie zu Ziebigk, finden die Geschäftsleute. Sie betonen auch, dass erworbene Gutscheine für das Pächterhaus bis zum 31. Dezember 2023 in ihren Schlemmerhouse in der Zerbster Straße eingelöst werden können.

Und was plant der Eigentümer, die Dessauer Stadtsparkasse, mit dem wunderschönen alten Fachwerkhaus? Das muss vorerst ein Geheimnis bleiben. Der Vorstand war nicht erreichbar.