Biografie Biografie: Vom Schlosser zum Schreiber
DESSAU-ROSSLAU/MZ. - Schelmisch schaut Joachim Specht von der Titelseite des Buchs "Zwischen Dessau und Australien" den Betrachter an. Voll ins Gesicht, als wolle er sofort Kontakt aufnehmen. Freundlich-verschmitzt und quicklebendig - auch das ist ganz seine Art. Unter der Nase ein dichter Schnauzer, der seit Jahrzehnten sein Aussehen prägt, nur eben dass der Bart nun ergraut ist. Auf dem Kopf eine Schmidt-Mütze. Es hätte aber auch gut und gern ein breitkrempiger Trapperhut sein können, wie ihn Joachim Specht in den dreieinhalb Jahren in Australien zum Schutz gegen die Sonne getragen hatte.
Dessau-Roßlaus auflagenträchtigster Schriftsteller der Gegenwart, versehen mit dem ehrenvoll gemeinten Beinamen "Australien-Specht", hat das getan, was seine Anhänger von ihm längst erwartet haben: Er hat seine Biografie geschrieben. Rund ein halbes Jahr vorm 80. Geburtstag erschien der Band. "Es sieht so aus, als würde ich vom Schreiben nicht loskommen", meint er im vorletzten Satz dieses Buches und fügt hinzu: "Ebenso wenig wie vom Leben..."
Obwohl in Weinböhla bei Meißen geboren - am 6. Januar 1931 -, fühlt sich Joachim Specht schon fast als Ur-Dessauer, stammen doch Vater, Großvater, Urgroßvater aus Dessau. Noch dazu, weil der Filius im jungenhaften Alter in die Gestade seiner Ahnen heimkehrte. Seitdem lebt Specht in der Muldestadt, das Intermezzo in Hamburg, die paar Jahre auf dem fünften Kontinent ausgeschlossen. Aber nicht in der verwandtschaftlichen Armaturenfabrik und Eisengießerei Otto Specht & Sohn erlernte er das Schlossern, sondern im VEB Kalorimeterbau. "Von den fünf Lehrlingen", resümiert Joachim Specht, "war ich der Einzige, der bis zur Facharbeiterprüfung durchhielt. Alle anderen waren schon in Richtung Westen verschwunden." Bald verschwand auch er über die grüne Grenze. Weil seine Studienbewerbung an der Ingenieurschule Köthen abgelehnt worden war. "Damals war ich 23 Jahre alt und voller Abenteuerlust. Ich sah nur das, was mich interessierte", schreibt Specht über die Zeit in Australien, durch die er sich mit harter Arbeit durchschlagen musste. Nebenher trieb es ihn zu den Ureinwohnern, lernte er Land und Leute kennen. Registrierte mit wachen Augen, fotografierte, führte Tagebuch. Schuf sich so den Grundstock für seinen Übergang vom Schlossermeister zum Schriftsteller.
Genug, denn es geht hier nicht um eine Kurzdarstellung von Spechts Leben. Dazu gibt es nun die Biografie. Aus erster Hand, übersichtlich gegliedert, Schwerpunkte darstellend. Lebenswege, Lebensgeschichten, wie es Specht nennt. Ehrlich und ungeschminkt. Ein Kapitel nennt sich "Meine Mutter: kreativ und aggressiv", ein anderes "Mit Volldampf in die vierte Ehe". Wobei gesagt werden muss, dass zwei seiner Ehefrauen ihm der Krebs nahm. Fotos, Dokumente und dergleichen in überraschender Vielfalt erhöhen die Authentizität. Und man stößt auf manch bekannten Namen bzw. auch manche Dessauer Örtlichkeit. Vor allem aber: Joachim Specht erschließt sich dem Leser nun in abgerundeter Form.
Zwischen Dessau und Australien, Joachim Specht, First minute Taschenbuchverlag Emsdetten, 248 Seiten, ISBN 978-3-932805-63-9, 19,90 Euro.