Benefizaktion Benefizaktion in Dessau: "Biker zeigen ein Herz für Kinder"

Dessau - Das Motorrad, Baujahr 2000, sieht auf den ersten Blick wahrlich betagt und kräftig mitgenommen aus: Wo sonst verchromtes Blech blitzt und funkelt, wirkt dieses zweieinhalb Meter lange Geschoss unter nostalgisch-großen Kotflügeln wie eine „Rostlaube“ mit Schäden rundum.
Ingo Ondrey, in schwarzer Lederkluft und Stiefeln, grinst noch breiter. „Alles so gewollt.“ Auch wenn es schon mal vorkommt, dass Polizisten oder Ordnungshüter stutzig werden, das Gefährt anhalten und nachsehen, „ob das überhaupt noch zugelassen“ sei. Ein bisschen freut Ondrey das auch.
Premiere für die Stadt
Es ist in Dessau-Roßlau eine Premiere und soll gleich ein ganz großes Ding werden: Etwa 500 Motorradfahrer der Stadt und Region steigen am Sonntag unter dem Motto „Biker zeigen ein Herz für Kinder“ für eine Benefizaktion auf den Bock. Einer von ihnen ist Ingo Ondrey. Und seine Maschine ist eine ganz besondere: eine Kawasaki Nv1500 Drifter. „360 Kilo schwer“, grinst er, „plus drei Kilo Rost.“ Und der ist volle Absicht.
Die Sternfahrt am 24. April rund um die Stadt startet um 11 Uhr von der Alten Landebahn. Der Erlös (Startgebühr pro Bike mindestens 10 Euro) kommt komplett der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin im Klinikum zugute und soll dort gegen 13 Uhr von einer Motorradstaffel übergeben werden. Die Fahrer versammeln sich ab 8.30 Uhr am Treff. Das Starterfeld passiert eine Schleuse, wo das Startgeld entrichtet und ein Aktionsaufkleber ausgegeben wird. Zuschauer sind willkommen. Starten dürfen alle für den Straßenverkehr zugelassenen Fahrzeuge, auch Oldtimer, Quads oder Trikes.
Fürs leibliche Wohl wird aus der Feldküche oder vom Grill gesorgt.
Die auffällige Rost-Optik hat sich Ingo Ondrey extra besorgt, mischen und aufspritzen lassen. Vom Hersteller nämlich war die Kawasaki in elegantes Bordeaux-Rot getaucht. Chic bestimmt, aber austauschbar. „Und ich hatte von Anbeginn Maschinen, die zeigten, dass sie schon was durchgestanden hatten. Und immer zuverlässig rollten.“ Das sei Ansichtssache und bei jedem Biker verschieden. „Ich mag eben die richtigen ,Ratten’, dreckig und rotzig“, lacht Ondrey aus vollem Hals.
Mit 16 hatte Ingo Ondrey zum ersten Mal das Ohr am Auspuff. Als der heute 51-jährige Veranstaltungstechniker die Motorrad-Fahrerlaubnis machte und auf den Bock einer Boxer-Kardan 350 aus den MZ-Motorradwerken Zschopau stieg. „Die Maschine stand bei Opa buchstäblich im Hühnerstall“, erinnert sich der Mann mit dem verwegen geflochtenen Kinnbart. Einmal der Faszination der heißen Öfen erlegen, ließ dieser Virus den Dessauer nicht mehr los.
Gutes tun für Familie und Kinder
Auf 08/15-Maschinen aber steht Ondrey eben nicht. Ehe seine Kawasaki zu ihrem „Ratten-Look“ kam, begann ein großes Stöbern. Der Biker tauchte ein ins vorige Jahrhundert, wo die Amerikaner im Lizenzbau Kawasaki unter dem Logo ihrer Marke „Indian“ mit dem markanten Indianerkopf mit Federkrone fahren ließen. Indian ging 1953 in Konkurs.
Hingucker in Stadt und Land
Wie die Namen von Marken sind zuweilen aber auch deren Farben geschützt. So könne beispielsweise ein Trabi nicht einfach „Ferrari-Rot“ gespritzt werden, weiß Ondrey. Ob er das verwaschene Oliv-Türkis, in dem die Indian-Kawasaki früher Wanderarbeiter durch die Weite der Staaten brachten, für seine Maschine verwenden dürfe, fragte der Dessauer Biker in den USA bei den „Indian“-Nachfolgern nach: „Oh yes“, kam das Okay aus Übersee.
Und jetzt gehört die „Rostlaube“ zum Hingucker in Stadt und Land. Kawasaki-Drifter, nur das Cruisen selbst ist schöner. Das entspannte, gemeinsame Herumfahren...
Bei „Biker zeigen ein Herz für Kinder“ am Sonntag verbindet sich dann das Schöne mit dem Nützlichen. Die Idee für die Benefizaktion kam Ingo Ondrey und seinen Dessauer Biker-Kollegen bei einer gepflegten Kneipenrunde in der Bierbar in Nord. Im November war das. Etwas auf die Beine stellen und im Frühjahr Leben in die Stadt bringen, das wollte die Gruppe der Freebiker. Und was Gutes tun, denn auch Biker haben Familie und Kinder.
Offene Ohren im Klinikum
Müssen die ins Krankenhaus, hilft neben der Behandlung erwiesenermaßen die Nähe der Eltern beim Gesundwerden. Bei der Finanzierung solcher Angebote, bei denen Eltern auch nachts bei ihren Kindern bleiben können, und die meist keine Krankenkasse bezahlt, wollen die Biker die Kinderklinik des Städtischen Klinikums unterstützen.
Und fanden dort für ihre Idee offene Ohren. Sowohl beim Ärztlichen Direktor Joachim Zagrodnick, bei Uwe Mathony als Chef der Kinderklinik und Verwaltungsdirektor André Dyrna. Stadt und Polizei unterstützen die Aktion, Schirmherr ist mit Jens Krause Dessau-Roßlaus Beigeordnete für Gesundheit, Soziales und Bildung. (mz)