Bei Gottschlichs geht's nun nicht mehr um die Wurst
Köthen/MZ. - Viele Köthener werden das noch bestätigen können, denn die Fleischerei in der Leipziger Straße, in der Franz und Inge Gottschlich für ihre Kunden da waren, war ebenso ein Begriff wie die ehemalige Fleischerei Lange in der Goethestraße, in die der Fleischer Paul Gottschlich einheiratete und die seine Frau Eva später unter Regie der HO als Verkaufsstellenleiterin weiterführte, während er sein Handwerk bei der PGH in der Merziener Straße versah. Eine Genehmigung, das Geschäft, das ehemals den Eltern von Eva Gottschlich gehörte, privat weiter zu führen, hatten die staatlichen Stellen nicht erteilen wollen.
Die Brüder Gottschlich haben - wenn auch viele Jahre lang unter verschiedenen Vorzeichen, ihr Leben dem Fleischerhandwerk gewidmet. Franz und Paul, gerade mal ein Lebensjahr auseinander, ist das schon in die Wiege gelegt worden. Die allerdings nicht in Köthen, sondern im schlesischen Glatz stand. Dort war Vater Otto selbstständiger Fleischermeister, der allerdings sehr früh verstarb. So führte Mutter Gottschlich das Geschäft, die Kinder wuchsen einfach hinein. "Wir mussten viel helfen, anders ging das gar nicht", blicken sie heute zurück. Und so war es nur folgerichtig, dass beide das Fleischerhandwerk erlernten.
Ursprünglich war zwar daran gedacht, dass Franz Fleischer und Paul Landwirt werden sollte, doch der Krieg ließ dies nicht zu, auch Paul begann die Fleischer-Lehre. Während sein Bruder Franz diese noch 1944 in der Heimat abschließen konnte, gelang Paul das nicht mehr - das Kriegsende, der Verlust der Heimat und danach der Neubeginn in Köthen, wohin die Familie umgesiedelt wurde, führten dazu, dass Paul seine Gesellenprüfung 1946 in Köthen ablegte.
Bis in die 50er Jahre arbeiteten die Brüder bei verschiedenen Fleischermeistern in Köthen als Gesellen, nebenher bereiteten sie sich auf die Meisterprüfung vor. Diese legten sie dann gemeinsam am 31. August 1954 ab. Zu diesem Zeitpunkt war Franz Gottschlich bereits in der Leipziger Straße in Köthen beim Fleischermeister Zietsch angestellt, dessen Tochter er zwei Jahre zuvor geheiratet hatte. Sein jüngerer Bruder Paul war 1953 als Geselle zur Fleischerei Lange gegangen, zuvor hatte er sich mit Tochter Eva verlobt, die er bei einem Faschingsvergnügen des Fleischerhandwerks kennen lernte.
Und während die Fleischerei in der Leipziger Straße im Jahr 1958 mehr oder weniger durch glückliche Umstände von der Verstaatlichung verschont blieb, hatte man in der Goethestraße nicht dieses Glück. Die Fleischerei fiel an die HO, Paul Gottschlich wechselte zur PGH und seine Frau Eva blieb als Chefin des HO-Geschäfts. Das wurde 1989 geschlossen, heute ist es als reines Wohnhaus immer noch das Zuhause von Eva und Paul Gottschlich, die als Eltern dreier Kinder und Großeltern von neun Enkeln den Platz gut gebrauchen können. "Aber manchmal", sagt Eva Gottschlich, "kommen Leute hier vorbei, bleiben stehen und sagen: War hier nicht mal eine Fleischerei?"
Das Geschäft von Franz und Inge Gottschlich in der Leipziger Straße wurde erst später geschlossen: im Jahr 2000 gingen beide in den Ruhestand. Zuvor hatten sie in den Jahren nach der Wende noch alles daran gesetzt, unter den neuen gesellschaftlichen Bedingungen zu bestehen. Das war nicht einfach, denn die Supermärkte mit ihren Diskount-Preisen haben es den Handwerkern nicht einfach gemacht. Dennoch: Die Kunden haben Gottschlichs die Treue gehalten und die Qualität zu schätzen gewusst. "Auf die Rotwurst und den Bierschinken werden wir heute noch angesprochen", sagt Inge Gottschlich. Für letzteren gab es sogar ein Zertifikat.
Zwei Kinder haben Franz und Inge Gottschlich und vier Enkel. Im Gegensatz zu denen des Bruders und seiner Frau leben diese alle in Köthen. In der Fleischerbranche ist jedoch keiner der Gottschlich-Nachkommen mehr beschäftigt. Was ihnen die Eltern nicht verdenken können: "An einen Acht-Stunden-Tag ist in diesem Beruf nicht zu denken gewesen, früher nicht und heute nicht. Das ist nicht jedermanns Sache", sind sich die Ehepaare einig. Die dennoch zufrieden sind mit ihrem Berufsleben.
Und die sich besonders gefreut haben über eine Geste der Handwerkskammer: Im Dezember ist während einer Festveranstaltung im halleschen Maritim-Hotel des 50-jährigen Meister-Jubiläums von Handwerkern verschiedener Sparten gedacht worden. Aus diesem Anlass waren auch die Gottschlich-Brüder mit ihren Ehefrauen eingeladen und erhielten jeweils einen Goldenen Meisterbrief.