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Baustelle Bauhaus Baustelle Bauhaus: Auf Entdeckungstour durch Dessau

Von Julius Lukas 17.02.2019, 11:00
Wie von Christo verhüllt: Eines von Gropius’ Meisterhäusern
Wie von Christo verhüllt: Eines von Gropius’ Meisterhäusern Andreas Stedler

Dessau - Die Frau an der Besucherkasse im Bauhaus hat keine guten Nachrichten für mich: „Die Ausstellung im Haus ist erst im April fertig.“ Ok, denke ich. Nicht schlimm. Doch was ist mit den Meisterhäusern von Walter Gropius, in denen Künstler wie Paul Klee oder Lyonel Feininger wohnten? Die Frau an der Kasse lächelt etwas peinlich berührt. „Die werden auch gerade renoviert, das Haus von Klee und Kandinsky ist noch komplett gesperrt“, sagt sie und macht dann einen Vorschlag: „Sie können aber eine Führung machen, die gibt es derzeit zum reduzierten Preis.“ Na immerhin.

Museum wird erst im September fertig

Aber ich lasse nicht locker, auch wenn mir die Kassenfrau schon etwas leidtut. Ihr ist es sichtlich unangenehm, den aktuellen Sehenswürdigkeiten-Mangel zu verwalten. Schon der Familie, die vor mir an den Schalter getreten war, musste sie die Bauhausfreuden zurechtstutzen. Ich frage trotzdem noch nach dem Bauhausmuseum. Sollte es das nicht auch in Dessau-Roßlau geben? „Das Museum wird erst im September fertig“, sagt die Frau schulterzuckend. „Aber sie können es sich von außen ansehen - fertig ist es ja schon, ist nur eben eine Baustelle.“

Baustelle statt Bauhaus - das ist der Status quo im Jubiläumsjahr. Und der macht mich etwas ratlos. Hat denn niemand geahnt, dass 2019 das Bauhaus-Jubiläum ansteht? Es ist eine Frage, die ich mir in diesem Moment als Gast stelle. Denn an der Kasse im Bauhaus stehe ich nicht als MZ-Reporter, sondern als Besucher von Dessau-Roßlau. Die Stadt kenne ich eigentlich ganz gut. Doch für einen Vormittag schlüpfe ich in die Rolle eines Touristen, der ganz spontan dem Welterbe zum 100-Jährigen einen Geburtstagsvisite abstatten möchte. Dabei tue ich bewusst unbedarft. Ich weiß nicht viel mehr, als dass das Dessauer Bauhaus kein Baumarkt ist.

Schmiererei zur Begrüßung

Mein Testbesuch startet, wo viele Kulturinteressierte ankommen: am Bahnhof. Ein Wegweiser zeigt mir gleich an, dass nach links biegen muss, wer zum Bauhaus will. Das Touristenleitsystem funktioniert schon einmal. Die Ernüchterung kommt jedoch auf dem Bahnhofsvorplatz. „Willkommen in Dessau-Rosslau“, steht auf einer Tafel mit vielen Straßenkarten der Stadt.

Eigentlich perfekt für mich, doch leider ist die Info-Tafel von oben bis unten vollgeschmiert - bestimmt nicht erst seit heute. Über die „Gartenreichtour Fürst Franz“ hat jemand mit dickem Stift „Fuck it“ geschrieben - eine Übersetzung erspare ich mir. Die kulturkritische Botschaft erschwert das Lesen der Karte allerdings sehr.

Der erste Eindruck ist damit ein wenig dahin, doch ein älterer Herr rettet die Situation. Mein fragendes Gesicht inspiriert ihn dazu, auf Navigationsmodus zu stellen. „Zum Bauhaus geht es dort entlang, zu den Meisterhäusern müssen sie dann rechts noch ein wenig weiter“, sagt und zeigt er. Meine Erkenntnis: Der menschliche Stadtplan ist mir noch immer am liebsten.

Es geht eine breite Straße entlang und vielleicht ist es nur Einbildung, aber je näher ich dem Bauhaus, jenem Zentrum des modernen Design- und Architektur-Denkens komme, umso eckiger und kantiger wirken die Gebäude für mich. Dieses geradlinige, schnörkellose, funktionale - das macht den Stil des Bauhauses aus. Noch dazu scheint die Sonne bei frühlingshaften Temperaturen. Meine Entdeckerlust an diesem Vormittag wächst mit jedem Meter den ich gehe.

Bekannt wie Schloss Neuschwanenstein

Diese Bauhausfreude ist es, die sich das Land vom Jubiläumsjahr weltweit erhofft. Der runde Geburtstag des Weltkulturerbes gilt als zweite Chance für Sachsen-Anhalt, sich dauerhaft im Ausland als Tourismusziel zu etablieren. Die erste war das Luther-Jubiläum 2017. Ein Elfmeter, der für einige die Torlinie nicht überquert hat. Denn nach der großen Reformationssause blieben die internationalen Gäste erst einmal weg. Das soll 2019 nicht erneut passieren. Deswegen steckt auch Thomas Einsfelder alle Hoffnungen in Dessaus Designschmiede: „Das Bauhaus muss im besten Fall eine so starke Ikone werden wie das Schloss Neuschwanstein“, sagte kürzlich der Chef von Sachsen-Anhalts Investitions- und Marketinggesellschaft. Im Ausland müsse es bei Auftritten des Landes künftig heißen: „Die mit dem Bauhaus sind wieder da.“

Vom Bahnhof sind es keine zehn Minuten zu Fuß, da taucht vor mir schon das künftige Märchenschloss des Landes auf. Die verglaste Brücke, die sich über die Straße zieht. Ein unverkennbares Bauwerk. Dass der hintere Teil mit einer schneeweißen Plane verkleidet ist, nehme ich anfangs gar nicht wahr. Was ich in diesem Moment noch nicht weiß: Die Bauplane wird mir noch öfter begegnen.

Angebote fürs Jubiläumsjahr

Vor dem Eingang ist es gerade rummelig. Eine Gruppe Jugendlicher beginnt eine Führung. Sie sprechen Englisch. Das Bauhaus - zweifelsohne eine internationale Berühmtheit. Ich kreuze den Weg eines Paares, das mit sichtlicher Vorfreude das Weltkulturerbe betritt. Ich mache erst einmal Fotos: Der bekannte Schriftzug, die Glasfassade - das Touristenprogramm eben. Dann betrete auch ich den Design-Tempel. Treppe hoch und da kommt mir das Pärchen von eben auch schon wieder entgegen. Er schüttelt den Kopf, sie sagt: „Kann ja nicht sein.“ Was sie wahrscheinlich meinen, werde ich gleich bei meinem Gespräch mit der Kassenfrau erfahren.

Nachdem die mir mitgeteilt hat, was ich alles nicht sehen werde, frage ich noch nach Optionen für die Zukunft: Gibt es denn spezielle Übernachtungsangebote für das Jubiläumsjahr? Sie lächelt: „Wir sind nur die Besucherkasse, da müssen sie bei der Stiftung nachfragen.“

Dann zeigt sie noch auf eine der Broschüren, in der etwas dazu stehen könnte. Genau weiß sie es aber auch nicht. „Und Weimar“, frage ich noch als letzten Versuch. „Da wurde das Bauhaus ja 1919 gegründet, gibt es da irgendwelche Kooperationen?“ Sie weiß es nicht, sagt dann aber doch: „Dort gibt es auch ein Museum, dass wird schon im April eröffnet.“ Das Schneckenrennen hat Thüringen also gewonnen, denke ich mir.

Geknickt verlasse ich das Weltkulturerbe. Doch das Wetter ist zu schön für Trübsal, weswegen ich mich für die Meisterhäuser entscheide. Die stehen gleich um die Ecke, fünf Minuten zu Fuß entfernt: eine architektonische Freiluftgalerie. Doch als ich ankomme, entdecke ich die weißen Bauplanen wieder - die Meisterhäuser wurden darin eingewickelt. Kurz denke ich, es handelt sich um eine Kunstinstallation von Christo und Jeanne-Claude. Die hatten 1995 das Reichstagsgebäude in Berlin mit aluminiumbedampftem Polypropylengewebe vollständig verhüllt. Das wäre ja mal eine Sensation.

Doch die Baustellenschilder nehmen mir gleich den Wind aus den Segeln. Kein Kunstprojekt, nur die angekündigten Renovierungsarbeiten. Gropius wollte mit den Meisterhäusern zeigen, wie er sich den Bauhaus-Stil vorstellt. Sehen kann man das gerade nicht.

Neuer Versuch im September?

Vor den Häusern erinnere ich mich an einen Tipp, den mir die Kassenfrau noch gab. „Schauen sie sich doch die Museumsbaustelle an“, empfahl sie. Und eine Baustelle mehr kann ja nun auch nicht mehr schaden. Zwei Kilometer sind es bis dorthin. Die Stadt wirkt, als halte sie ein Freitagvormittagsnickerchen. Die Ruhe ist herrlich. Gerade bin ich gern in Dessau-Roßlau - wenn da die fehlenden Sehenswürdigkeiten nicht wären.

Um das Museum wurde eine ganze Weile gezankt - Standort, Aussehen. Auch deshalb wird es so spät erst fertig. Und in der Tat ist rund um den Glaskasten im Stadtzentrum noch ein Bauzaun gespannt. Ein Arbeiter schlappt an Kies- und Erdhügeln vorbei. Kabel gucken aus der Erde. Beim Anblick des Bauwerks, das leider sehr an ein Einkaufszentrum erinnert, kommt der starke Wunsch auf, mal über Inhalte zu diskutieren. Wäre es nicht schöner, wenn an dieser Stelle etwas über die Ausstellung im Museum stünde? Doch aktuell hat man nur eine Außenansicht. Glaskasten, mehr nicht.

Ich gehe noch in die Touristeninformation, keine zwei Minuten zu Fuß vom Museum entfernt. Die Mitarbeiterin dort ist auch bemüht, die kritischen Punkte - Baustelle Bauhaus - lässt sie lieber gleich weg. Sie hat aber zumindest das Bauhaus-Übernachtungs-Spezial zum 100. Geburtstag für mich parat. Drei Tage mit Eintritt in alle Sehenswürdigkeiten für 230 Euro pro Person im Doppelzimmer. „Dann muss ich wohl im September noch einmal kommen, wenn alles fertig ist“, sage ich. „Na, das wäre doch schön“, sagt die Frau von der Touristeninformation.

Orientierungslos: beschmierte Stadtpläne vor dem Bahnhof
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Andreas Stedler