Bauhaus Dessau Bauhaus Dessau: "Der Stab mit Oswalt war gebrochen"

Dessau/MZ - Bei der Pressekonferenz fehlte der Oberbürgermeister. Vorn im Rampenlicht saß Joachim Hantusch (SPD), Dezernent für Wirtschaft und Stadtentwicklung. Als die Frage nach dem Abstimmungsverhalten der Stadt im Fall Philipp Oswalt kam, blieb Kultusminister Stephan Dorgerloh (SPD) wortkarg. „Da müssen Sie den Oberbürgermeister fragen.“ Der aber war nicht da.
Vier Tage nach der Stiftungsrats-Sitzung des Bauhauses sitzt Dessau-Roßlaus Oberbürgermeister Klemens Koschig (Neues Forum) in seinem Büro und hat einen dicken Ordner vor sich liegen. „Bislang haben sich ja nur Dritte geäußert“, sagt das Stadtoberhaupt, das daran nicht unschuldig ist. Vor der Stiftungsratssitzung am Freitag hatte Koschig jegliche öffentliche Stellungnahme abgelehnt und nur einen Satz gesagt: „So wie das Ergebnis des Umlaufverfahrens kommuniziert wird, kann es nicht stimmen.“
Das Umlaufverfahren, eine schriftliche Meinungsumfrage zur Zukunft von Direktor Philipp Oswalt, hatte der Stiftungsrat des Bauhauses im April beschlossen. Warum den ganzen Sommer nichts passierte, ist unklar. Mitte September jedenfalls traf das Papier im Rathaus ein. Kurz zuvor hatte Kultusminister Stephan Dorgerloh (SPD) auf eine Neuausschreibung der Stelle gedrungen.
Drei Fragen im Umlaufverfahren
„Der Stab“, erinnert sich Koschig, „war gebrochen.“ Für ihn ging es nun darum, zu Oswalt zu stehen, dessen Verdienste zur Wiederbelebung des Bauhauses unbestritten sind, und gleichzeitig Land und Bund nicht zu verärgern, auf die Dessau-Roßlau sowohl bei der Finanzierung des Anhaltischen Theaters, als auch beim Bauhaus-Museum angewiesen ist.
Der Architekt Walter Gropius (1883-1969) gründete das Bauhaus 1919 in Weimar als Hochschule für Gestaltung. Die Leitidee: Jedes Produkt sollte eine Funktion erfüllen, preiswert und schön sein. Dies wurde Grundlage modernen Industriedesigns und der Architektur.
Das Bauhaus zog später mangels politischer Unterstützung nach Dessau und schließlich nach Berlin. 1933 wurde es auf Druck der Nazis geschlossen.
Heute wird in allen drei Städten das Bauhaus-Erbe gepflegt. Dafür gibt es die Stiftung Bauhaus Dessau, das Berliner Bauhausarchiv und die Klassik-Stiftung Weimar mit dem Bauhaus-Museum. Seit 1996 gehören die Bauhausstätten in Weimar und Dessau zum Unesco-Weltkulturerbe.
Seit 1996 gehören die Bauhausstätten in Weimar und Dessau zum Unesco-Weltkulturerbe.
Zu den bekannten Bauhauskünstlern zählen Georg Muche (1895-1987), Oskar Schlemmer (1888-1943), Lyonel Feininger (1871-1956), Paul Klee (1879-1940), Wassily Kandinsky (1866-1944) und László Moholy-Nagy (1895-1946). (dpa)
Es führte zu einem Abstimmungsergebnis, über das viel spekuliert wurde. Drei Fragen hatte das Umlaufverfahren. Sind Sie für einen Umlaufbeschluss? Auf Koschigs Zettel fehlt dort ein Kreuz. Warum, das vermag der Oberbürgermeister nicht mehr zu sagen. Sind Sie für eine automatische Verlängerung des Vertrages von Oswalt? Koschig hat hier „Enthaltung“ angekreuzt. Sind Sie für eine Neuausschreibung und Neubesetzung der Stelle? Koschig wollte, dass sich Oswalt wieder bewerben konnte, strich das Wort „Neubesetzung“ durch und setzte handschriftlich einen Satz dazu. Vergeblich: Das Kultusministerium reduzierte die Presseinformation zum Thema Oswalt auf die Aussage, die Frage der Neuausschreibung sei einstimmig gefasst worden.
Bis heute ist unklar, was genau zum Zerwürfnis zwischen Kultusminister Dorgerloh und Bauhaus-Direktor Oswalt geführt hat. Fachlich gibt es keine Vorwürfe. Wer sich um Aufklärung bemüht, bekommt von Alleingängen erzählt, von Anrufen, von E-Mails. Koschig will dazu nichts sagen. „Ich bedaure die Entwicklung und die Entscheidung in der Personalie Oswalt“, sagt das Stadtoberhaupt. Alle Proteste hätten daran nichts geändert. Im Gegenteil. „Im Stiftungsrat war kein Umdenken spürbar.“
Suche nach Ausweg
Im Stiftungsrat hatte es nach MZ-Informationen am Freitag trotzdem den Versuch gegeben, einen Ausweg zu finden, mit dem alle Beteiligten ihr Gesicht hätten wahren können: eine Neuausschreibung zum 1. März 2016. Der Termin hätte vielerlei Vorteile gehabt. Doch am Ende gab es im Stiftungsrat nur den Feststellungsbeschluss, ob das Umlaufverfahren gültig war. Dieser fiel einstimmig. Mit den Stimmen der Stadt-Vertreter Klemens Koschig und Joachim Hantusch. Koschig verteidigt das: „Es hätte ja nichts genützt, wenn wir dagegen gestimmt hätten.“ Land und Bund haben im Stiftungsrat fünf der sieben Stimmen.
Die Ausschreibung für einen neuen Direktor wurde am Freitag ebenfalls abgestimmt. „Ich sehe die Gefahr einer Vakanz“, sagt Koschig. Oswalts Amtszeit endet Ende Februar 2014. Ob sich der Stiftungsdirektor wieder bewirbt, hat dieser bislang offen gelassen. Unabhängig davon: „Ziel ist es“, sagte Koschig, „eine Nominierung noch vor Ablauf der Zeit hinzubekommen.“ Ob das realistisch ist, bleibt abzuwarten. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung zeigt sich skeptisch - und fragte in ihrer Dienstagausgabe provokant: „Wer will Dessaus Bauhaus, auf dessen Arbeit Ortsverein der SPD und CDU mehr Einfluss haben als wissenschaftlicher Sachverstand, in Zukunft noch leiten?“