Wohnen in Dessau-Rosslau „Barrierefreiheit muss man sich in Deutschland leider leisten können“
Die Verwaltung der Stadt Dessau-Roßlau und die Friedrich-Ebert- Stiftung haben zur Diskussion zum Thema „Barrierefreies Wohnen“ geladen. Was künftig passieren muss.

Dessau-Roßlau/MZ. - Manch einen betrifft es erst im hohen Alter, andere sind schon früher oder ein Leben lang darauf angewiesen. Die Rede ist vom barrierefreien Wohnraum. Um dieses Thema für Dessau-Roßlau zu diskutieren, sind am Montagabend etwa 15 Menschen im Mitmachlokal zusammengekommen.
Der teure Weg zur Barrierefreiheit: Fahrstuhl allein führt zu jährlichen Betriebskosten von 2.500 Euro
Barrierefreies Wohnen bedeute, so Daniela Koppe (SPD), „Lebensräume so zu gestalten, dass Menschen selbstbestimmt diese Räume nutzen können – ganz unabhängig von Alter, Gesundheit oder Behinderung“. Was in Neubauten machbar sei, sei jedoch gerade in älteren Bestandswohnungen nur schwer umzusetzen, berichtet Michael Wermter, Prokurist von der Wohnungsgenossenschaft Dessau, aus eigener Erfahrung. In diesen Fällen sei es zwar möglich, Wohnungen barriereärmer zu gestalten. Aber eine Barrierefreiheit sei aufgrund der einzuhaltenden Bauvorschriften oft nicht möglich.
In vielen Fällen seien allerdings schon kleinere Maßnahmen hilfreich, berichtet Wermter. Wie zum Beispiel das Herausnehmen der Schwellen oder Wechseln der Bodenbeläge. Zudem reagiere die Wohnungsgenossenschaft Dessau auf derlei Anfragen von Mietern, suche das persönliche Gespräch mit Betroffenen und biete in Absprache Pflege- oder Einkaufsdienste an.
Das Problem bei tiefergehenden Umbaumaßnahmen hingegen seien die damit verbundenen Kosten. Als Beispiel nennt Wermter den Einbau eines Fahrstuhls. Allein die jährlichen Betriebskosten betrügen etwa 2.500 Euro. „Barrierefreiheit muss man sich in Deutschland leider leisten können.“
So viele barrierefreie und barrierearme Wohnungen sind im Bestand der Wohnungsgenossenschaft Dessau
Daher seien auch nur knapp über 400 (zehn Prozent) der insgesamt etwa 4.000 Wohnungen im Bestand der Wohnungsgenossenschaft Dessau barrierefrei. Durch Umbaumaßnahmen seien in den vergangenen Jahren zudem circa 1.450 barrierearme Wohnungen (36 Prozent) entstanden.
Eine Quote, die durchaus solide erscheint, wenn man bedenkt, dass nicht alle Menschen auf barrierearmen beziehungsweise -freien Wohnraum angewiesen sind.
Wie hoch ist der tatsächliche Bedarf an barrierefreien und -armen Wohnraum in Dessau-Roßlau?
Nichtsdestotrotz äußerte Franziska Schmidtke, Referentin der Friedrich-Ebert-Stiftung, wiederholt „wir haben einen weitaus höheren Bedarf als Angebote vom barrierefreien Wohnen“. Mit konkreten Zahlen zum tatsächlichen Bedarf konnte allerdings niemand aus der Runde dienen. „Wir haben alle unser Bauchgefühl, aber wir können es nicht belegen“, sagte Gabriele Perl, Vorsitzende des Mieterbunds Dessau-Roßlau.
Eine Frau aus dem Zuschauerbereich hakt ein: „Ich habe nicht das Gefühl, dass zig Rentner nicht aus ihrer Wohnung kommen, weil es nicht barrierefrei ist. Ist das wirklich in Dessau so? Oder reden wir uns jetzt hier heiß?“ Eine andere fordert zur Aufklärung, es sei an der Zeit „solche Statistiken nun endlich mal zu führen“.