Bäcker in Dessau Bäcker in Dessau: 26-Jähriger übernimmt Geschäft von Lehrmeister

Dessau - Kurz vor seinem 27. Geburtstag hat sich Benjamin Betz das schönste Geschenk vielleicht selbst gemacht. Der junge Handwerker führt seit Anfang des Jahres die Regie in zwei Bäckereien. Übernommen hat er die beiden Geschäfte in der Kreuzbergstraße 67 und der Franzstraße 155 von Meister Christian Meiling. Der ist kürzlich 65 geworden und hat sich vom beruflichen Alltag verabschiedet. „Obwohl es schon ein bisschen komisch ist“, gibt er zu, „nun jeden Tag an der Backstube vorbeizugehen, in der man sich 16 Jahre lang bewegt hat.“
Gänzlich abschwören will der Lehrmeister von Benjamin Betz seiner Profession allerdings nicht. Sein Nachfolger hat vor, ab März in Halle die Meisterprüfung in Angriff zu nehmen. Bis zum Finale werden wohl eineinhalb Jahre vergehen. Betz weiß, was auf ihn zukommt: „Das wird eine ziemliche Belastung. Aber da heißt es durchbeißen. Ich will es packen.“ Besonders in der Buchhaltung und bei Steuerfragen will er aufpassen - und sich fit machen lassen. Denn dem jungen Mann an der Stelle jedwede Hilfestellung zu geben, ist für Christian Meiling eine Selbstverständlichkeit. „In praktischen Dingen aber macht man Benjamin nichts vor. Da hat er echt alles drauf“, erklärt der erfahrene Bäcker. Zudem sei von Vorteil, dass dem Nachfolger die Selbstständigkeit sozusagen in den Genen liege.
Christian Meiling, der seine Bäckerlehre Ende der 1960er Jahre absolvierte, war familiär nicht vorgeprägt. Sein Vater führte eine Fleischerei. Der Sohn wechselte wegen des besseren Verdienstes dann aber das Metier: Er wurde Chemiefacharbeiter und arbeitete in der Dessauer Gärungschemie als Schichtmeister. Nach der Wende entschloss sich Christian Meiling, wieder in seinen angestammten Beruf zu wechseln. Die Bäckerei an der Kreuzbergstraße - zuvor von einem Blumenladen, einer Heizungsfirma und einem Jeansgeschäft genutzt - öffnete am 8. Juni 1999 ihre Pforte.
Meilings Frau Petra (61) unterstützt Nachfolger Benjamin Betz gegenwärtig noch als Verkäuferin. Zudem kann der neue Chef - allein an Brötchen werden in einer Woche um die 10 000 Stück hergestellt - auf zwei fest angestellte Gesellen und eine Aushilfskraft zurückgreifen.
Mutter Annett Betz führt in Dessau-Kochstedt seit einem Vierteljahrhundert einen Party-Service. „Man merkt, dass ihn so ein Haushalt geprägt hat. Er sieht die Arbeit. Das ist gut so, denn eine Bäckerei ist nun mal arbeitsintensiv“, findet Meiling. Binnen einer halben Stunde müssen etwa die vorbereiteten Brötchen in den Ofen. Sonst sei die „lebendige Ware“ verloren.
Benjamin Betz, in Dessau geboren und seit seinem Einstieg in die Bäckerei im Oktober 2005 ohne Zweifel nicht zu den Morgenmuffeln gehörend, geht ganz offenkundig auch in seiner neuen Rolle voll auf. „Die Arbeit macht mir einfach Spaß“, erzählt er. „Es ist schön, die Leute glücklich zu machen.“ Und Glück fängt für die meisten Menschen wohl tatsächlich mit einem leckeren Brötchen zum Frühstück an. „Bei uns gibt es keine Luftbrötchen, sondern kompakte Produkte. Die werden nicht in der heißen Luft getrocknet, sondern richtig auf der erhitzen Ofenplatte gebacken“, sagen Ex-Chef und der junge „Boss“ unisono.
Streuselkuchen und Nougatzungen aus eigener Produktion
Wenn das Wochenende oder Feiertage vor der Tür stehen, wissen die Leute eine solche Qualität ganz besonders zu schätzen. „Dann ist beinahe die Hölle los. Da mag Wind und Wetter herrschen, eine Schlange bildet sich trotzdem immer“, sagt Betz, den Christian Meiling schon sehr zeitig mit ins Boot nahm. „Um die Bestellungen zum Beispiel haben wir uns zuvor schon gemeinsam gekümmert“, berichtet sein junger Nachfolger, der neben dem Sortiment an Brot und Brötchen im Schokoladen- und Streuselkuchen sowie den Nougatzungen und Pfannkuchen aus eigener Produktion weitere „Renner“ seiner Bäckerei sieht.
Augenfällig viel verändert hat Benjamin Betz im und am Betrieb nicht. Nach wie vor ist das Storchenpaar auf dem Logo zu finden, weil der Horst auf der Backstube alljährlich neu bezogen wird. Und den Kunden gibt der 26-Jährige ein Versprechen: „Die Hausrezepte der Bäckerei bleiben unangetastet. Überall sind die gewohnten Zutaten drin. Sie werden jetzt nur unter einem anderen Namen verkauft.“ (mz)