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Ausstellung in der Orangerie Ausstellung in der Orangerie: Durch welches Auge?

Von Thomas Altmann 18.12.2013, 19:25
Werke von Heinrich Schmidt-Rom (1877 bis 1965) sind bis zum 9. Februar in der Orangerie am Schloss Georgium zu sehen.
Werke von Heinrich Schmidt-Rom (1877 bis 1965) sind bis zum 9. Februar in der Orangerie am Schloss Georgium zu sehen. Lutz Sebastian Lizenz

Dessau/MZ - Eine Eiche am Tümpel, eine Pinie am Meer, Charlotte trägt lächelnd Sommerhut und das kauernde „Bananenmädchen“ Pfirsichhaut mit Orangenbrust. Der Anhaltische Kunstverein hat sich offenbar einer Quote verschrieben, auf Kunst folgt Einkehr, eine Versenkung ins Ortsansässige.

„Heinrich Schmidt-Rom - Maler aus Dessau“ heißt eine Ausstellung in der Orangerie der Anhaltischen Gemäldegalerie Dessau, zu sehen bis zum 9. Februar. Durch welches Auge bitte soll dieser Maler gesehen werden, ein Maler, der neben der Höhe, neben den Fragen seiner Zeit malte und sich in seiner politischen Haltung gewiss nicht als Aushängeschild eignet? Der Verein für Kultur und Geschichte in Anhalt und der Anhaltische Kunstverein haben dennoch, gefördert vom Land, ein sprachloses Werkverzeichnis als „bleibendes Gedächtnis“ angelegt, erschienen in der „Schriftenreihe zur Geschichte der Stadt Dessau und Umgebung“.

Sprachloses Werkverzeichnis

Reinhard Melzer fragt in einer Umwege drapierenden Einführung nach der Position des Künstlers in der Dessauer Kunstlandschaft und sucht diese Landschaft quasi mit der Lupe. In zeitlicher Abfolge hätten Wittenberg, die Niederlande und schließlich Preußen das Land versorgt. Erst im Kontext der Gründung der Chalkographischen Gesellschaft spricht Melzer vom Beginn einer lokal ausgeprägten Landschaftsmalerei. Namen fallen wie Carl Wilhelm Kolbe, die Brüder Olivier usw. Als Schmidt-Rom nach Dessau kam, traf er auf Paul Riess und Wilhelm Danz. Diese beiden blieben, so Melzer, „im Erfassen der landschaftlichen Reize von Dessau und Umgebung“ zu Beginn des 20. Jahrhunderts herausgehoben in Erinnerung.

Ihnen sei nun Schmidt-Rom hinzugefügt. Vorher sprach Melzer von „der geistigen Enge des Kleinstaates im 19. Jahrhundert“ und zeigte sich erstaunt über die Resistenz der eingesessenen Maler gegenüber den Künstlern, die mit dem Bauhaus nach Dessau kamen. In den „Biografischen Notizen“ listet Martin Scholtka Daten und Namen. Heinrich Schmidt erhielt 1903 ein Stipendium der Berliner Akademie, reiste nach Rom und wohnte in der Villa Strohl-Fern, wo der Elsässer Alfred Strohl-Fern seine „panartistische Utopie“ auslebte.

Schmidt wurde offenbar von der Italomanie ergriffen, reiste immer wieder in den Süden, auch nach Neapel oder Sizilien und verewigte in seinem Namen die ewige Stadt. 1909 finden wir Schmidt-Rom in Tunis, Karthago und Bali. Nun kauert das orangenbrüstige „Bananenmädchen“ in den Farbtönen der Hawaiigitarre. Dennoch: Zum Südseeidyll aus Fleisch und Lust gesellt sich ein belebter Umgang mit Formen und Farben in den Landschaften.

Knapp bei Kasse

Zu Hause, seit 1906 in Dessau, malt Schmidt-Rom Waldstücke, Auenlandschaften und Porträts. Immer knapp bei Kasse, folgt er in bürgerlich erschwinglichen Formaten, mehr oder weniger pastos, mehr oder weniger technisch ausgefeilt, offenbar dem Wunsch und dem Geschmack einer potenziellen Käuferschaft. Nach der Übergabe des Wörlitzer Schlosses an die Joachim-Ernst-Stiftung kopierte Schmidt-Rom, Lücken im Interieur schließend, Bildnisse, die laut Auseinandersetzungsvertrag im Besitz des Herzoghauses blieben. Dazu zählen etwa Anthonis van Dycks Bildnisse der Gräfin Amalia von Solms-Braunfels oder des Prinzen Friedrich Heinrich von Oranien-Nassau.

Begehrtes „Bananenmädchen“

Der Lebenslauf kommt bald im Jahr 1932 an. Laut Scholtka wird Schmidt-Rom Mitglied der NSDAP und später der „Künstler-Kameradschaft Dessau“. 1942 und 1943 bewirbt er sich erfolglos im „Haus der Kunst München“ zu den „Großen Deutschen Kunstausstellungen“, den Propaganda-Veranstaltungen der Nazis schlechthin. Die erste dieser Ausstellungen lief, um einen Tag versetzt, als Gegendarstellung zur Ausstellung „Entartete Kunst“.

Wenn der Kunstverein einen technisch guten, politisch kompromittierten, künstlerisch apathischen Maler wie Schmidt-Rom ausgräbt, dann sollten Werk und Geschichte, Bezüge und Verhalten auch kritisch aufbereitet werden. Was soll hier gezeigt, befragt, ins Gespräch gebracht werden? Keine Fragen, keine Antworten! Wir konstatieren: Das „Bananenmädchen“ erfuhr mehrere Reproduktionen, ein begehrtes Mädchen, mit Pfirsichhaut und Orangenbrust.