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Aufruhr in Dessauer Discos Aufruhr in Dessauer Discos: Pläne von OB zu Party-Zelt sorgen für Existenzängste

Von Lisa Garn 09.03.2018, 06:00
Das Zelt in Wittenberg war im Juli für drei Monate aufgebaut worden.
Das Zelt in Wittenberg war im Juli für drei Monate aufgebaut worden. Klitzsch

Dessau-Roßlau - Die Pläne für ein Disco-Zelt ab Mai in Dessau sorgen für massive Kritik unter Club-Betreiber der Stadt. Mit einem zusätzlichen Wettbewerber sehen sie ihre Existenz bedroht. Befürchtet werden Umsatzeinbußen und sogar Schließungen.

Die Kulturfabrik hat bereits angekündigt, vorübergehend den Betrieb einzustellen. Betreiber fordern nun den Verzicht auf das Party-Zelt und eine bessere Zusammenarbeit mit der Stadt. Oberbürgermeister Peter Kuras weist die Kritik zurück: Es müsse mehr Angebote für junge Menschen geben, das Image der Stadt solle gewandelt werden.

Im Januar hatte Kuras erklärt, ein Disco-Zelt aus Wittenberg nach Dessau zu holen. Es soll zunächst von Mai bis Juli an der Alten Landebahn aufgebaut werden. Es besteht die Möglichkeit auf eine Verlängerung um drei Monate. Aufstellen und betreiben wird das Zelt ein Unternehmen aus Potsdam, das 2017 bereits das in Wittenberg errichtete. Es hat Platz für bis zu 500 Personen.

„Wir können zumachen, wenn das kommt. Damit wird der Markt kaputt gemacht“

„Wir können zumachen, wenn das kommt. Damit wird der Markt kaputt gemacht“, sagt Mario Heller, Betreiber der Diskothek „H 1“ auf dem Brauereigelände. „Es ist für uns in Dessau-Roßlau schon schwierig genug. Weil die Jugend wenig Geld hat. Und wir reden von maximal 1.500 Jugendlichen, die wir hier erreichen können.“ Drei größere Diskotheken gibt es in Dessau: Das „H 1“, die „Kulturfabrik“ an der Askanischen Straße und das „Flower Power“ in der Weststraße.

„Wir alle haben es mühsam geschafft, uns einen Stamm an Kunden aufzubauen“, sagt „Flower Power“-Chef Oliver Rodriguez. „So ein Zelt verschärft die Wettbewerbssituation, unsere Umsätze werden einbrechen.“ In Wittenberg hatte die Disco „Velvet“ vorübergehend schließen müssen, als dort das Musik-Zelt gastierte. Das „Flower Power“ dort habe bis zu 50 Prozent Umsatzeinbußen gehabt, so Rodriguez.

Die Kritik richtet sich direkt gegen Kuras. „Wir fühlen uns vor den Kopf gestoßen. Er hätte mit uns sprechen müssen, welche Ideen für Veranstaltungen es gibt und was wir gemeinsam umsetzen können - bevor man Fremde herholt“, erklärt Heller. „Was hat denn Dessau-Roßlau davon, wenn sich die Stadt für drei Monate oder ein halbes Jahr ein Zelt herholt, aber die Discos vor Ort schließen? Da hängen auch Arbeitsplätze dran.“

Die Kulturfabrik hatte auf Facebook mitgeteilt, dass sie ab Mai vorübergehend schließen wolle

Die Kulturfabrik hatte auf Facebook mitgeteilt, dass sie ab Mai vorübergehend schließen wolle, wenn das Zelt kommt. „Die Stadt Dessau hat es nicht anders gewollt“, stand dort. Einige Kommentatoren vermuteten eine Marketing-Aktion oder Taktik dahinter, um Druck beim Oberbürgermeister aufzubauen. Viel Lärm um nichts also? „Nein, wir fürchten um unsere Existenz“, sagt Rodriguez.

Den Vorwurf, dass auch die Disco-Betreiber in Dessau mehr und attraktivere Angebote für Jugendliche machen müssen, lässt Heller nicht gelten. „Der Markt hat sich verändert, aber auch wir haben uns weiterentwickelt. Wir haben Konzepte, neue Veranstaltungsformate, holen bekannte Namen her. Das ist harte Arbeit, aber sie greift inzwischen.“ Gäste kämen nach eigenen Angaben auch aus der näheren Umgebung sowie aus Magdeburg, Potsdam, Berlin und Halle.

OB Kuras geht jedoch umgekehrt davon aus, dass zu viele Jüngere aus Dessau-Roßlau in anderen Städten feiern. Mit dem Zelt solle ein zusätzliches Angebot geschaffen werden, um jene an die eigene Stadt zu binden, „die derzeit an den Wochenenden nach Leipzig, Halle oder Wittenberg fahren.

Ziel sei auch, mehr Gäste aus dem Umland nach Dessau-Roßlau zu locken

Es ist ein Impuls für die Jugendkultur im Oberzentrum - weg vom alten Image: ,In Dessau ist nichts los’“, so Kuras. „Es hat aber wenig Sinn, wenn ein Zelt in der Region wie beispielsweise in Wittenberg bleibt und die jungen Leute dann weiter dorthin fahren.“ Ziel sei auch, mehr Gäste aus dem Umland nach Dessau-Roßlau zu locken.

„Es war nie geplant, mit dem Musik-Zelt in Konkurrenz zur regionalen Club- und Gastronomielandschaft zu treten.“ Im Gegenteil: Er sei überzeugt, dass auch die Disco-Betreiber der Stadt profitieren, zumal nicht alle Gäste ein Party-Zelt besuchen würden. Die Ankündigung der Kulturfabrik allerdings hält Kuras für nicht nachvollziehbar: „Ein Anbieter verkündet schon jetzt die temporäre Schließung, ohne die neue Situation abzuwarten. Das zeugt auch davon, dass das Vertrauen in die eigenen Veranstaltungskonzepte nicht sehr groß ist.“

Für Gespräche sei er dennoch bereit. Momentan würde ein Termin mit Disco-Betreibern organisiert. Mit der Kulturfabrik ist nach MZ-Informationen bereits im Januar gesprochen worden. (mz)