"Arbeitgeber der Zukunft" "Arbeitgeber der Zukunft": Friseurmeister Oliver Heinicke aus Dessau geht auf seine Mitarbeiter zu

Dessau - Das kleine Schild hängt längst neben der Eingangstür des Geschäfts in der Zerbster Straße: „Arbeitgeber der Zukunft“. Vor neun Monaten hat die Heinicke Haut und Haar UG die Auszeichnung von der Arbeitgeberinitiative „Familienbewusstes Arbeiten in Dessau-Roßlau“ erhalten. Jetzt läuft die nächste Bewerbungsrunde, können Firmen zeigen, welche Konzepte sie entwickelt haben, um Arbeitnehmer in der Region zu halten oder zu gewinnen.
Wer sich bewirbt, sagt Oliver Heinicke von der Heinicke Haut und Haar UG, „resettet“ sich, fragt, „wie stehe ich am Markt“? Er wollte das wissen, denn: „Man muss sich als Unternehmer auch in Frage stellen.“ Um sich zu entwickeln.
Heinecke hatte sich 1994 - mit Ende 20 - selbstständig gemacht. Im Jahr 2000 kam der Friseurmeister von Wolfen nach Dessau und stellte irgendwann fest: „Im Umkreis von 500 Metern gibt es an die 20 Friseure“. Die Frage: Wie hebt er sich von den anderen ab? Und vor allem, wie gewinnt er Mitarbeiter?
Flexible Arbeitszeitmodelle für die 14 Mitarbeiter von Oliver Heinicke
„Handwerk will keiner mehr machen. Das hat kein gutes Image“, sagt er ernüchtert. Das gilt auch für das Handwerk der Friseure. Gab es 2007/08 an den Berufsschulen in Dessau, Wittenberg und Bitterfeld noch je zwei Klassen mit je 25 Schülern, so gibt es heute in Dessau gar keine Klassen mehr.
2013, sagt Heinicke, habe man im eigenen Geschäft angefangen, es zu verändern. Da spielte nicht nur die Überlegung mit, einen Partner in der Industrie zu finden, mit dem er sein ganzheitliches Konzept im hohen Preissegment umsetzen kann, sondern auch darum, Mitarbeiter und Kunden zu „fangen“. Das Problem bei den Mitarbeitern mit Kindern: „Wir haben bis 19 Uhr den Laden geöffnet.“ So lange aber hat kein Kindergarten auf. Besonders für Alleinerziehende, weiß er, ist das ein großes Problem.
Die Lösung der Heinicke Haut und Haar UG, deren Geschäftsführerin Brit Kretzschmar ist, bei insgesamt 14 Mitarbeitern: „Wir sind auf zwölf Arbeitszeitmodelle gekommen. Manche gehen nur Früh oder Nachmittag arbeiten, manche drei Tage in der Woche. Das ist sehr variabel.“ Er geht auf die Mitarbeiter zu, sagt aber auch: „Wer nur seinen Job macht, ist fehl am Platz.“
Nicht nur miteinander arbeiten, auch miteinander weggehen und Spaß haben
Der Friseur glaubt, dass nicht nur bei ihm, sondern sich generell in vielen Branchen Arbeitszeitmodelle gravierend ändern werden. Die Gesellschaft befinde sich in einer Umbruchphase. Das bedeute „neues Herangehen, neue Denke“. Entscheidend für ihn sei, „dass man eine Kultur entwickelt, sich gegenseitig Respekt entgegenbringt, stetig mit den Mitarbeitern kommuniziert und auch eine familiäre Atmosphäre schafft.“
Nicht nur miteinander arbeiten, auch miteinander weggehen und Spaß haben, sei in den Augen des Arbeitgebers wichtig. Dass er über eine Krankenkasse Betriebssport anbietet, Kindergartenplätze und Kilometer-Pauschalen bezahlt oder Erholungspauschalen gewährt, gehört für ihn ebenfalls zur Betriebskultur.
Und die zahlt sich aus. Im vorigen Jahr habe er fünf Mitarbeiter gewinnen können - „entgegen dem Strom“, wie er sagt. Auch einen neuen Bereich - eine Männerlounge - habe er einrichten können und einen Barbiermeister eingestellt. Mittlerweile „sind wir ein multikulturelles Team“.
Der wertschätzende Umgang mit den Mitarbeitern hat die Arbeitgeberinitiative besonders beeindruckt
Der wertschätzende Umgang mit den Mitarbeitern der Heinicke Haut und Haar UG hatte die Arbeitgeberinitiative „Familienbewusstes Arbeiten“ Dessau-Roßlau besonders beeindruckt. Dass auch andere Firmen Beeindruckendes bieten, glaubt Roland Liepold. Der Geschäftsführer des IHK-Bildungszentrums ist Moderator der Arbeitgeberinitiative. Die wurde 2014 von neun Unternehmen und Einrichtungen der Stadt Dessau-Roßlau gegründet. Mittlerweile gehören auch die Stadt Dessau-Roßlau und die IHK Halle-Dessau zu den Mitgliedern.
„Wir wollen vor allem kleine Unternehmen motivieren, sich zu bewerben, denn oft tun diese schon sehr viel für ihre Beschäftigten“, sagt Liepold. Und seiner Meinung nach muss „Familienfreundlichkeit gar nicht viel kosten - entscheidend ist, dass Beruf und Privatleben dadurch besser miteinander vereinbart werden können.“ (mz)
Zum dritten Mal lobt die Arbeitgeberinitiative „Familienbewusstes Arbeiten“ Dessau-Roßlau unter der Schirmherrschaft von Oberbürgermeister Peter Kuras den Preis „Arbeitgeber der Zukunft“ aus. Unternehmen können ihre Bewerbungen noch bis zum 31. Juli einreichen.
Erstmals wird 2019 neben der Plakette auch ein Preisgeld in Höhe von 2.000 Euro vergeben, das den Beschäftigten des ausgezeichneten Arbeitgebers zugutekommen soll. Die Preisverleihung findet am 19. September im Rahmen eines TurboBreakfast im IHK-Bildungszentrum statt.
Das Bewerbungsformular und weitere Details sind im Internet unter www.agi-dessau-rosslau.de zu finden.