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Anhaltisches Theater Anhaltisches Theater: Talk der Mimen ohne Masken

Von Thomas Altmann 22.09.2003, 16:35

Dessau/MZ. - "Alles echt!" heißt eine neue Talk-Runde des ebenfalls neuen Dramaturgen für Medien- und Öffentlichkeitsarbeit, Matthias Müller-Wurbs, welche Akteure und Publikum ohne Vorhang auf Tuchfühlung bringen will. Der Erstling am Sonntag im Theaterrestaurant bescherte Mimen ohne Masken, die seit mehr als 30 Jahren am Haus sind. Mit der Frage, wie aus einem Mensch ein Schauspieler wird, ging Müller-Wurbs in die erste Runde. Ellen-Jutta Poller habe als Mädchen von den Koloraturen der Königin der Nacht geträumt. Nur ihre Stimme sei tief. Darum offerierte sie einen Knef-Ohrwurm.

Karl Thiele wurde in die Erbfolge einer Baufirma hinein geboren. Als Bauingenieur in spe bezog er dann aber eine Studentenbude in schicksalsträchtiger Theaternähe. Rainer Böhm erlag als Jüngling einem beeindruckenden Herzog Alba. Zum Talk rezitiert er Heinz Erhard. Der Senior unter den Schauspielern, Erich Große, wollte Tenor werden. Krieg und Gefangenschaft traten dazwischen, 1952 kam er nach Dessau. Es gibt Anklänge an charmante Anekdoten. Meist aber rezitiert Große eigene Gedichte, deren Pointen sich reimen.

Manfred Eberhard erzählt von der Reaktion im streng religiösen Elternhaus, als er sich dem Theater zuwandte. Vom Dessauer Haus ist der Tonmeister und Stellvertreter des Verwaltungsdirektors noch immer fasziniert: "Ich hab die Jahre kaum gemerkt."

In die zweite Runde steigt Müller-Wurbs mit rötlichen Zitaten aus der Theaterzeitung der 60er Jahre. Auf die Frage, wie man den Einfluss der Arbeiter- und Bauernmacht auf der Bühne erlebt habe, bleibt die Antwort schlicht aus, auch wenn Böhm wenigsten tabuisierte Autoren nennt. Gute Nacht! Denn auch in einer Smalltalk-Runde dürfte die Frage erlaubt sein, wie sich Theater und Theaterleute in der Gesellschaft positionieren, bzw. positioniert hatten. Große rezitiert revolutionär: "Wenn die Elbe stark riecht, Frühling, dann hast du gesiegt." Und "Ellen-Jutta Knef" (Müller-Wurbs) besingt nun einen kleinen Gardeoffizier.

Dann eben Anekdoten. Aber üppig blüht der Komödianten-Charme auch hier nicht. Der junge Hamlet litt vor allem deshalb, weil er sich während einer Aufführung den Finger brach. Einen Vorhang gab es, weil Böhm Kartoffelsalat gegessen, bzw. erbrochen hatte. Und Erich Große trat, ein Brett fehlte, der Souffleuse auf den Busen. Alles echt? Irgendwie schon. Der Tonmeister schlummerte jedenfalls echt ein, ohne die Bänder zu wechseln, während Heinz Röttger "Tristan und Isolde" einspielen wollte.

Als Matthias Müller-Wurbs nach Traumrollen fragt, gibt's Theorie von Thiele. Etwa derart, dass Misserfolge mehr schulen würden als Beifall (Schlussfolgerungen sind spekulativ). Dann werden wenigstens Hamlet und Mephisto mit Nebensätzen verziert. Doch des Pudels Kern bleibt fern. Erich Große irgendwann zuvor: "Sobald der Vorhang fällt, ist alles wieder gut." "Alles echt!" endet ohne Vorhang.