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Anhaltisches Theater Anhaltisches Theater Dessau: Schauspieldirektor und Dramaturg arbeiten von zu Hause weiter

Von Marcus Bräuer 11.04.2020, 10:00
Dramaturg Kornelius Friz (Mitte) macht Home Office in Leipzig.
Dramaturg Kornelius Friz (Mitte) macht Home Office in Leipzig. Friz

Dessau - Das Home Office. Davon liest und hört man in den vergangenen Wochen immer wieder. Home Office, also Arbeiten von zu Hause aus, das ist da, wo man sich und sein engstes Umfeld neu kennenlernt.

Auch Alexander Kohlmann arbeitet zur Zeit auch von zu Hause aus. Der Schauspieldirektor und Chefdramaturg des Anhaltischen Theaters ist nach Braunschweig gefahren. Dort lebt und arbeitet er zusammen mit seiner Partnerin, die ebenfalls in der Kulturbranche tätig ist. „Ein Kulturhaus auf dem Trockenen“, nennt es Kohlmann.

Das Leben, so wie man es kennt, ist auf Pause gestellt. „Es ist eine komische Zeit“, sagt Kohlmann. Keine Vororttermine, keine Abgabetermine. Lebt er deshalb in den Tag hinein? Mitnichten. Kohlmann macht. Texte lesen. Nochmals lesen. Überarbeiten. Die neue Spielzeit planen. Ganz wichtig: Rücksprachen halten. Sich austauschen. Jeden Tag telefoniert Kohlmann mit Dramaturg Kornelius Friz. Sein engster Mitarbeiter, der mit ihm im vergangenen Sommer nach Dessau kam.

Kornelius Friz sitzt in Leipzig fest. Wie gelingt das Arbeiten von zu Hause aus? „Besser als gedacht“, sagt er. Jeden Morgen um 9 Uhr beginnt Friz, arbeitet nach Dringlichkeit ab. Die Texte für die Online-Lesung aus Giovanni Boccaccios Novellensammlung Dekameron lesen er und Intendant Johannes Weigand und kürzen, wo es nötig ist. Überhaupt liest Friz sehr viel. Und gründlich. „Es ist ruhiger. Und man hat mehr Zeit.“

Zeit haben. Im größten Stress wünscht man sich genau das. Doch wenn der Wunsch zur Wirklichkeit wird, steht man plötzlich vor der Frage: Wie fülle ich die Zeit? „Es ist ein bisschen absurd“, sagt Kohlmann, „alle Dramaturgen die ich kenne, klagen immer darüber, zu wenig Zeit zu haben.“ Weil man immer noch ein Buch mehr lesen, noch genauer arbeiten kann. „Wenn man sich klar gemacht hat, dass man nun diese Zeit hat, kann man die kommende Spielzeit viel besser vorbereiten, als andere Spielzeiten jemals zuvor.“

„Das Telefon ist zu einem sehr wichtigen Medium geworden“

Eingeschränkte Freizügigkeit als Chance für die Dramaturgie. Ein weiterer Vorteil für die Arbeit in Quarantäne-Zeiten ist für Kohlmann und Friz, dass sie sich intensiv mit Regisseuren, mit denen sie in Zukunft zusammenarbeiten werden, austauschen können. Schließlich sind alle aktuellen Produktionen gestoppt, es gibt keine Proben.

„Das Telefon ist zu einem sehr wichtigen Medium geworden“, sagt Kohlmann. So bewerkstelligt er auch einen weiteren wichtigen Aspekt in seiner Funktion als Schauspieldirektor: die Mannschaft, also das Ensemble, beisammen halten. „Es ist wie bei einem Schiff, das in der Flaute liegt“, sagt Kohlmann, „da muss man auch jeden Tag übers Deck gehen und schauen, dass alles funktioniert, wenn der Wind wieder kommt.“

Niemand weiß, wann es wieder losgeht. Deswegen ist kein Ausruhen angesagt. „Wir bereiten jede Produktion genau vor.“ Die Schauspielerinnen und Schauspieler werden angehalten, sich mit den Texten auseinanderzusetzen. Nach dem 19. April stehen zwei Schauspiel-Produktionen an, Yvonne, die Burgunderprinzessin und Die Mitschuldigen. „Wir versuchen alle in einem Zustand zu bleiben, dass wir sofort wieder schlagfertig sind.“

Sorge, gar Wehmut hört man weder bei Kohlmann noch bei Friz

Doch was ist, wenn in dieser Spielzeit gar nicht mehr gespielt werden kann? Wann schließt man mit der Spielzeit ab? Das sei spekulativ und bringe zu diesem Zeitpunkt nichts, findet Kohlmann. „Wenn die Proben nach dem 19. April nicht beginnen können, müssen wir schauen, wann wir sie nachholen können.“ Friz ergänzt: „Wir produzieren nichts für die Tonne. Wenn es nicht in dieser Spielzeit gespielt wird, dann eben in der nächsten.“

Sorge, gar Wehmut hört man weder bei Kohlmann noch bei Friz. Jedoch verspüren auch sie einen ganz bestimmten Mangel, den Mangel an sozialen Kontakten. „Mir fehlt die Begegnung mit Leuten. Das kann ein Telefon nicht ersetzen“, sagt Kohlmann, „und mir fehlt es, zu Proben und in Aufführungen zu gehen.“ Friz kann der Tatsache, sich einige Aufführungen von zu Hause aus im Internet anzusehen durchaus etwas abgewinnen, weil „man Theater gucken kann, ohne sich schick zu machen und rauszugehen.“ Aber beide spüren und wissen, was Theatergänger in diesen Zeiten empfinden: Für das Erlebnis, mit anderen Menschen zusammen eine Vorstellung anzusehen, gibt es einfach keinen Ersatz. (mz)

Schauspieldirektor Alexander Kohlmann sitzt in Braunschweig
Schauspieldirektor Alexander Kohlmann sitzt in Braunschweig
Kohlmann