Anhaltisches Theater Anhaltisches Theater: Der Zauber in allen Dingen
Dessau/MZ. - Wird bei Judy Garland, die in einem früheren Jahrhundert den Gang auf dem gelben Backstein antrat, mit der Phantasie alles Technicolor, so läuft für Christina Gerstbergers Doro das Kino im Kopf. Das macht es dem Publikum zugegebenermaßen nicht immer leicht. Regisseurin Ana Haffter gibt den Leuten im Parkett so gar nichts Märchenhaftes mit auf den Weg nach Oz. Doro, Holzfäller, Löwe und Vogelscheuche bleiben im Untergrund und erkunden dort die langen Kellergänge, die Waschküche und manch dunkle Ecke.
Lässt man sich hingegen ein auf das Spiel in den tristen Räumen, die Bühnenbildner Michael Melerski auf die Drehbühne stellt, dann wird Doros Gang zu sich selbst auch für die Zuschauer ein anregender Spaziergang durch die eigene Vorstellungswelt. Für den wohlig tiefen Schlaf im Mohnfeld genügen Regisseurin Haffter ein Doppelstockbett mit Blütenbettwäsche, die im Original fliegenden Affen der bösen Hexe werden zu mückenkleinen Schlotterbecks, die Doro und deren drei Begleiter in ekstatische Tänze drangsalieren.
Das Personal, das dem Mädchen bei seinen Abenteuern zur Seite steht, rekrutiert sich aus Verwandten und Bekannten und zum größten Teil aus dem Dessauer Opernchor. Vor allem in der phantastischen Welt entwickeln die Sängerinnen und Sänger eine überraschend frische Spielkraft. So Sabine Noack, die von der mausgrauen Tante zur strahlenden Revue-Hexe mit Hang zum Mikrofon wird oder Kristina Baran, deren böse Hexe des Nordens einen ausgeprägten Hang zur Reinlichkeit hat. Hinreißend und mit viel Witz tanzt sich der Chor in der Choreographie von Thorsten Kreissig vom Staubmaus-Auftritt über die singenden Teppichrollen und die Opalier-Revue bis hin zum Hellmuths-Getrippel. Im Graben lässt Markus L. Frank die Anhaltische Philharmonie swingen.
Nie lässt Ana Haffter in ihrem "Zauberer von Oz" das Spiel zwischen Wirklichkeit und Traum aus den Augen. Dispute über Flitter, verpatzte Einsätze oder schnelle Einwürfe - "Das ist mein Text" - zeigen, wie dünn der Faden zwischen den beiden Welten auf der Bühne ist. Mit einem Beatmungsgerät - zuvor war es der Ballon für Doros Rückreise zu Onkel und Tante - zurück geholt in die Realität, wird auch das Publikum in die Wirklichkeit entlassen. Oder vielleicht doch nicht? Schauen Sie doch mal im Keller nach.