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Anhaltische Goethe-Gesellschaft feiert in Dessauer Theater Anhaltische Goethe-Gesellschaft feiert in Dessauer Theater: Ganz jung zum 90. Geburtstag

Von Silvia Bürkmann 29.09.2015, 18:50
„Goethe in der Campagna“, das bekannteste Werk von Maler Tischbein.
„Goethe in der Campagna“, das bekannteste Werk von Maler Tischbein. Anhaltische Goethe-Gesellschaft Lizenz

Dessau - Sie ist die Jüngste im Bunde von deutschlandweit 61 Gesellschaften gleichen Titels, die Anhaltische Goethe-Gesellschaft (AGG). Sie besteht als eingetragener Verein seit Mai 2008. Und dennoch ist am kommenden Freitag, dem 2. August, schon ein großer, runder Geburtstag zu feiern: Seit 90 Jahren wirkt die Gesellschaft nämlich schon in Dessau.

Wenngleich deren bewegte Geschichte längst nicht lückenlos über neun Jahrzehnte dokumentiert ist, sehen die 46 Vereinsmitglieder jedoch allen Grund für eine Festveranstaltung. Denn wenn auch die Gründungsurkunde verloren ging, fanden sich doch am 17. Februar 1925 engagierte Dessauer Persönlichkeiten zur Gründung der Dessauer Ortsgruppe, damals noch unter Ägide und Banner der Goethe-Gesellschaft Weimar, zusammen. Zur Goethe-Feier wurde dann bereits am 28. Februar 1925 ins Messelhaus geladen, ehemals Palais Cohn-Oppenheim in der Kavalierstraße und Wohnort des Bürgermeisters. Und das ist dokumentiert.

Es war eine festliche Soiree mit Gedichten, Musik und dem Vortrag eines Berliner Universitätsprofessors über „Goethe und Eckermann“. Gründungsväter waren keine Geringeren als Bürgermeister Fritz Hesse, Professor Hugo Junkers und der Landeskonservator Ludwig Grote, die ein großes Interesse und eine aktive Auseinandersetzung mit dem Werk des Dichterfürsten einte. Die Gesellschaft wurde 1925 von den selben Protagonisten gegründet, die auch schon das Bauhaus nach Dessau geholt haben.

„Altes Fundament ehrt man, darf aber das Recht nicht aufgeben, irgendwo wieder einmal von vorn zu gründen“ - J.W. von Goethe in „Wilhelm Meisters Wanderjahre“ - unter diesem Sinnspruch lädt die Anhaltische Goethegesellschaft (AGG) anlässlich ihres 90. Gründungsjubiläums am 2. Oktober zur öffentlichen Festveranstaltung ab 15.30 Uhr ins Rangfoyer des Anhaltischen Theaters Dessau ein.

Nach Begrüßung durch AGG-Vorsitzenden Joachim Liebig und Grußworten von Sachsen-Anhalts Kultusminister Stephan Dorgerloh und Dessau-Roßlaus Oberbürgermeister Peter Kuras als Schirmherr der Festveranstaltung begibt sich Steffen Kaudelka, stellvertretender Vorsitzender der AGG, auf Spurensuche in der Geschichte der AGG: „Bürgerschaftliche Selbstbehauptung in wechselvollen Zeiten“. Der Vorsitzende der Weimarer Goethe-Gesellschaft Jochen Golz spricht im Festvortrag zu „Goethe im 21. Jahrhundert“.

Als musikalische Umrahmung bringt Kammersänger Ulf Paulsen Goethe-Lieder, vertont von Franz Schubert, zu Gehör und wird am Flügel begleitet von Thomas Benke.

Mit der Machtübernahme Hitlers löste sich die Dessauer Goethe-Gesellschaft 1933 selbst auf. Nach Kriegsende und schweren Nachkriegsjahren ging es in der DDR mit zaghaften Schritten an die Wiedergründung einer Goethegesellschaft in Dessau. 1965 fanden sich Goethe-Verehrer unter den Fittichen des Kulturbundes neu zusammen. In erster Reihe marschierte die Leiterin der Dessauer Stadtbibliothek Irmgard Lange bis 1979 in Personalunion als Vorsitzende und Geschäftsführerin. Ihr zur Seite stand Heinz Röttger, Generalmusikdirektor am damaligen Landestheater Dessau. Von 1982 über die Wendejahre bis 2007 hatte Eberhard Schmidt die Leitung der Gesellschaft inne. 2008 kam es unter dem einstigen Sparkassenvorstand Hubert Ernst zur Gründung der Anhaltischen Goethegesellschaft als Verein. Über diese turbulente Geschichte berichtet Steffen Kaudelka, Mitarbeiter der Kulturstiftung Dessau-Wörlitz und aktuell stellvertretender Vorsitzender der Anhaltischen Goethegesellschaft, in seinem Vortrag.

Die junge Anhaltische Goethe-Gesellschaft sieht sich also in einer langen Traditionslinie. Und sowohl dem künstlerischen Vermächtnis Goethes verpflichtet als auch dessen Ideen der Aufklärung und der Toleranz. „Und diese haben bis heute nichts an Bedeutung verloren“, so Gesellschaftsvorsitzender Joachim Liebig. Der Kirchenpräsident der Anhaltischen Landeskirche übernahm 2014 den Vorsitz von Hubert Ernst.

In den vergangen sechs Jahren hat sich immerhin schon die Mitgliederzahl fast vervierfacht. Waren es 12 Gründungsmitglieder hat die Anhaltische Goethegesellschaft heute 46 Mitstreiter. Ehrenmitglieder sind bisher einzig Ulrich Plettner und Eberhard Schmidt.

Goethes Beziehung zum Dessau-Wörlitzer Gartenreich im Mittelpunkt

Mehr als das Zehnfache ihrer Mitgliederzahl aber erreicht die Anhaltische Goethegesellschaft mit ihren Veranstaltungen für kulturinteressierte Bürger. Dabei hat die AGG 2008 mit zwei Veranstaltungen und 50 Besuchern klein angefangen, als es um „Europa und Goethe“ ging.

Mittlerweile stehen jährlich zwischen acht und neun Veranstaltungen im Plan. Sie widmen sich dem Leben und Wirken Goethes und dessen Beziehung zum Dessau-Wörlitzer Gartenreich. Auch Zeitgenossen, Wegbegleiter sowie vom Dichterfürsten beeinflusste Künstler späterer Zeiten rücken in den Fokus der Anhaltischen Goethegesellschaft. „Wir suchen nach Bezügen zur heutigen Zeit“, sagt Schriftführerin Kerstin Bittner. „Wir möchten auch der Jugend diese Themen näherbringen, das Interesse wachhalten und an die nächste Generation weitergeben.“

Pendelten sich in den letzten fünf Jahren die Besucherzahlen bei Vorträgen, Lesungen oder Spaziergängen zwischen 300 und 500 ein, wurde der bisherige Rekord mit 700 Gästen im Jahr 2014 aufgestellt. Da platzte die Kapazitätsgrenze im Palais Dietrich, so dass wegen großer Nachfrage erstmals eine Veranstaltung wiederholt wurde. Zugpferd war der Dessauer Schauspieler Karl Thiele, der „ewige Mephisto“. Im Jubiläumsjahr 2015 sind bisher 500 Besucher gezählt.

Die Veranstaltungen der Anhaltischen Goethegesellschaft sind immer öffentlich und größtenteils für Besucher kostenlos. „Wir arbeiten ehrenamtlich und ohne Zuschüsse, finanzieren uns ausschließlich über Mitgliedsbeiträge und Spenden. Und freuen uns darauf, am Freitag einen besonderen Tag mit vielen Gästen gemeinsam zu feiern“, so Bittner. (mz)

Gefunden im Nachlass von Bürgermeister Hesse im Stadtarchiv.
Gefunden im Nachlass von Bürgermeister Hesse im Stadtarchiv.
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