Angus-Rinder Angus-Rinder: Roßlauer Rinder bieten besonderen Fleischgenuss

Natho - Das Dorf im Nordzipfel von Dessau-Roßlau zeigt sein verträumt-idyllisches Antlitz: Dorfkirche, Dorfplatz, Dorfkneipe. An der einzigen Kreuzung ein Papp-Schild mit dem Hinweis-Pfeil zum Deutschen Angus-Treffen.
Angus? Der Blick ins Lexikon führt entweder zu einer keltischen Sagengestalt oder in den Osten Schottlands. Das Internet zeigt gleich auf der ersten Seite Bilder von stattlichen schwarzen Rindern und im vierten Eintrag die Kategorie „Gourmetfleisch“. Hhmm. Da steht also was Gutes im Stall bei Günter Reichert.
Robust und umgänglich
„Was wirklich sehr Gutes“, begrüßt der Mann im karierten Arbeitshemd den Besuch mit kräftigem Handschlag. Der 62-Jährige führt seinen Betrieb als Einzelunternehmen.
Der Sohn und Enkel von Bauern, selbst ein echter „Nath’scher“, hat frühzeitig Landluft geatmet und mit der Landwirtschaft gelebt. Und irgendwann sein Herz verloren an die Angus-Hausrinder: Ebenso robust wie umgänglich und genügsam. Angus-Rinder sind einfarbig schwarz oder rot. Und sie haben keine Hörner! Ein Ausdruck genetisch fixierter Freundlichkeit.
Aufzucht und Verkauf
1992, als er noch Werkstattmeister bei der Agrargenossenschaft Bornum war, begann Günter Reichert mit der Anguszucht. Im Nebenerwerb, und anfangs ganz klein.
Der Schwerpunkt lag von Beginn an in der Aufzucht von Mutterkühen der Rasse Deutsch-Angus und dem Verkauf von Zuchttieren.
Geschlachtet wird das wertvolle Fleischvieh nicht bei den Reicherts. „Einmal hatten wir die Selbstvermarktung getestet“, erinnert sich Günters Frau Hannelore. Das Tier wurde zum Schlachthof hin und die „Ausbeute“ portioniert zurückgebracht. Nicht allein das Fleisch, auch Knochen, Darm und Fett werden verwertet. „Und von den Käufern haben wir ein sehr zufriedenes Echo bekommen“, so Hannelore Reichert.
So naturnah werden die Rinder gehalten
Das Fleisch vom Angus-Rind steht für Qualitätsfleisch aus naturnaher Haltung. Hier wird bei der Aufzucht auf Schnell- und Intensivmast verzichtet, die Tiere leben vom Frühjahr bis zum Abtrieb im Herbst in den Mutterkuh-Herden stressfrei auf der Weide.
Kälber wachsen bei ihren Müttern auf, trinken viel Muttermilch und fressen frisches Gras. Diese natürliche Aufzucht spiegelt sich in der vorzüglichen Fleischqualität wieder. Angusfleisch ist feinfaserig, von kräftig roter Farbe, gut „marmoriert“ und auch nach dem Braten zart und saftig. Beim Einkauf freilich deutlich kostspieliger.
Die Selbstvermarktung blieb für die Reicherts eine einmalige Sache. „Bei uns haben alle Tiere einen Namen. Wir wollen Lulu oder Asti, die wir jetzt fast von Hand aufziehen, nicht auf einem Teller wiederfinden“, schüttelt Hannelore Reichert energisch den Kopf. Da haben früher schon die drei Kinder aufgepasst und immer genau nachgefragt, wo das Fleisch für den Sonntagsbraten gekauft wurde.
Geburt in offener Landschaft
„Wir züchten die Tiere und geben ihnen ein natürliches Kälberleben auf der Weide direkt bei der Mutter und im Schutz der Herde.“ Im Jahr 2016 hatte Günter Reichert in Natho insgesamt 80 Tiere.
Zur Zeit stehen noch 42 Tiere auf der Weide. Das sind 32 Mutterkühe, von denen zehn ihre Kälber geboren und bei sich haben und die anderen noch trächtig sind. Die Geburt in offener Landschaft ist für Angus-Rinder kein Problem - die Züchter zählen die „Leichtkalbigkeit“ zu den positiven Rassemerkmalen. Eine gesunde Mutterkuh kann pro Jahr ein Kalb gebären. Sie ist neun Monate trächtig und hat anschließend drei Monate zur Erholung und Regeneration.
Im Stall stehen bei Reichert gegenwärtig einzig noch fünf acht Monate alte Kälber. Diese fünf Färsen - „Das sind unsere Fräuleins“ - nimmt Reichert in seine Zuchtlinien auf. Die fünf „Mädels“ haben die Trennung von ihrem Muttertier schon überstanden. „Das ist für beide Seiten ein einschneidender Abschied“, berichtet Hannelore Reichert von dem herzzerreißend-jämmerlichen Schreien, das nach dem „Absetzen“ zwei bis drei Tage über den Hof hallt. Die Jungtiere, obwohl maßgeschneidert versorgt, vermissen ihre Mutter. Bei denen wiederum drückt die Milch. Auch Sichtkontakt sollte in dieser Zeit zwischen beiden Seiten vermieden werden, denn Angus-Rinder sind zwar stramm und stattlich, aber überaus sensibel.
Rinder auch international gefragt
Die Nachfrage nach Jungbullen und Färsen ist national und international gut. So hat Reichert 2016 bereits über 30 Tiere verkauft. Unter diesen, natürlich Lebend-Verkäufen waren auch die zwei prächtigen Jungbullen „Toronto“ und „Bruce“.
Mit einer Kreuzbeinhöhe von 1,45 Meter brachten die schwarzen Riesen mit zwei Jahren schon 900 Kilogramm auf die Waage. Diese Eckdaten liefern beste Voraussetzung für die knappe Tonne Lebendgewicht - entweder für eine gezielte Fleischmast oder für eine Karriere als Samenspender. Bruce und Toronto jedenfalls setzen ihren Weg im Baltikum fort. (mz)
Denn an dieser Stelle folgt der Schnitt im Drehbuch für den Film aus der Landidylle Natho. Denn selbst im Angus-Zuchtbetrieb Reichert läuft nicht alles nach dem Bilderbuch der Natur. Für die Reproduktion sorgt der „Rucksackbulle“. Aber nur exakt nach den Daten des „Herdbuches“ mit international belegter Genetik. (mz)
