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Älteste Glocke Anhalts Älteste Glocke Anhalts: Tage im Keller sind gezählt

Von Danny Gitter 29.10.2014, 10:31
Im Keller des Leopolddankstiftes wurde die Glocke gefunden
Im Keller des Leopolddankstiftes wurde die Glocke gefunden Sebastian Lizenz

Dessau - Eine Sensation? Ein Jahrhundertfund? Nur nicht übertreiben. „Aber alltäglich ist es auch nicht“, sagt Michael Pohlandt. In der Kapelle des Leopolddankstiftes in der Turmstraße wurde gestern die wahrscheinlich älteste evangelische Kirchenglocke Anhalts, die nach der Einführung der Reformation gegossen wurde, der Öffentlichkeit vorgestellt. 1550 wurde das bronzene Stück für das Dessau-Anhalter Fürstenhaus angefertigt.

Lange Zeit im Keller der Seniorenwohnanlage Leopolddankstift lagernd, hatte sich kaum jemand wirklich um die rund 40 Kilogramm Bronze in Glockenform gekümmert. Pohlandt hatte 2008 das Amt des Verwalters des Leopolddankstiftes von seinem Vorgänger übernommen. Eine in Jutesäcke verpackte Glocke, die wohl seit mindestens 1983 im Keller der Seniorenwohnanlage lagerte, fand kaum Beachtung.

Durch Bauarbeiten nahm die Geschichte eine Wendung. Es war im Frühjahr 2014, als Pohlandt durch die Baumaßnahmen den Keller auf- und ausräumte und sich mit der Glocke näher beschäftigte. Die Inschriften Wolff Hilger und das in römischen Ziffern eingravierte Jahr 1550 machten den Verwalter neugierig. Erst googelte er die Angaben, stieß auf eine Glockengießerdynastie aus dem sächsischen Freiberg, die bis in den hohen mecklenburgischen Norden Fürstenhäuser in vergangenen Jahrhunderten belieferte und wollte noch mehr zum Werdegang seines Fundstücks wissen.

1749 gründete Leopold Maximilian von Anhalt, ein Sohn des „Alten Dessauers“, den Leopolddankstift. Die Stiftung sollte älteren Bedürftigen Menschen im Stadtgebiet ein sicheres Heim im letzten Lebensabschnitt bieten. 1908 wurde die heute noch existierende Wohnanlage der Stiftung Leopolddankstift für Senioren in der Turmstraße 22 erbaut. Zwischen dem Paul-Greifzu-Stadion, vielen renaturierten Flächen und der Südvorstadt gelegen, bietet die Wohnanlage ein ruhiges Wohnen mit zentraler Anbindung an die Stadt. Das Leopolddankstift verfügt in der Turmstraße 22 über 18 Zwei- und Dreiraumwohnungen, eine Kapelle und einen Garten.

Günter Preckel, der Leiter des Archivs der Anhaltischen Landeskirche, komplettierte in der Folge ein Stück weit das Mosaik des Kellerkindes aus dem Leopolddankstift. Eine ältere als diese evangelische Glocke in Anhalt fand Preckel in seinen Verzeichnissen nicht.

Die 40 Kilogramm schwere Bronzeglocke, 32 Zentimeter im Durchmesser, bildet also symbolisch im Epizentrum der Reformation den Beginn einer neuen Ära des christlichen Glaubens ab. „Unterschiede zu Glocken in katholischen Gotteshäusern gab es von der technischen Seite nicht“, sagt Preckel. So klingt es zur Mittagsstunde, zum Gottesdienst, zu Taufen und Beerdigungen im katholischen und im evangelischen Tagesgeschäft, was die Glocken betrifft, kaum anders.

Die erste evangelische Kirchenglocke Anhalts verrichtete ihre Arbeit zuverlässig. Nachweislich im 18. Jahrhundert in der Nikolauskapelle im Heiligengeisthospital, wo heute der Kristallpalast steht, später im Hospital in der Franzstraße. Dann in der Johanniskirche. Nach dem zweiten Weltkrieg in der provisorischen Friedenskirche im Dessauer Zentrum. Ab 1958 in Jeßnitz-West. Dann verliert sich die Spur bis zur Lagerung im Keller des Leopolddankstiftes.

„Wir haben den Werdegang der Glocke noch nicht vollständig rekonstruieren können“, so Preckel. Eines steht aber jetzt schon fest. Sie blieb bis auf einen kleinen Riss unversehrt. Ein Comeback als Kirchenglocke im Dienst ist nicht ausgeschlossen, aber noch nicht konkret. „Sie muss irgendwo und irgendwann wieder läuten“, spricht Manfred Seifert, Oberkirchenrat, vielen aus der Seele. Die langen Tage im Keller scheinen endgültig gezählt

Hier ist er: der besondere Kirchenschatz.
Hier ist er: der besondere Kirchenschatz.
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