Altes Theater Dessau Altes Theater Dessau: Making-of der Inszenierung "Der Gestiefelte Kater"

Dessau - Wer führt die Zauberin durch bösartige Höhen? Warum trägt der Kater keinen Schwanz? Wer formt das Gesäß des Elefanten? Das sind bewegende Geheimnisse. Doch kaum scheinen die Dinge geklärt, betritt ein Känguru die Bühne, singt so klar, so hoch, so rein, dass jeder Kastrat seine Entmannung forthin verfluchen muss.
Erste Entwürfe werden gezeigt
Am Freitag war Märchentag im Anhaltischen Theater Dessau. Vormittags feierte „Der Gestiefelte Kater“ Premiere. Abends gab es im Alten Theater ein „Making of“ zur Inszenierung mit Regisseur David Ortmann und Dramaturgin Sabeth Braun. Und am Ende stand Jan Kersjes auf der Bühne. Dieser schrieb die Märchenmusik. Bis Jahresbeginn war er Mitglied im Dessauer Schauspielensemble, nun arbeitet Kersjes allein, ein Musikclown, ein Känguru.
Auch in diesem Jahr lädt das Anhaltische Theater zu einem Bastelwettbewerb zum Weihnachtsmärchen ein. Weil im „Gestiefelten Kater“ eine „Zauberin des Schattenlandes“ eine wichtige Rolle spielt, werden die schönsten Szenen des Märchens als „Schattenbild im Schuhkarton“ gesucht. Der Schuhkarton sollte maximal 35 Zentimeter lang und 25 Zentimeter hoch sein. Als Projektionsfläche empfehle sich helles Transparentpapier oder weißes Backpapier und für die Figuren Pappe oder Papier.
Als Lichtquelle dürfen ausschließlich LED-Teelichter verwendet werden. Welche Szene gezeigt wird, bleibt jedem selbst überlassen. Es wird jedoch gebeten, das „Schattenbild im Schuhkarton“ noch in diesem Jahr im Theater abzugeben (beim Pförtner oder zu den Vorstellungen am Info- und Verkaufstresen im Parkettfoyer). Die schönsten Exemplare werden im Theaterfoyer ausgestellt und kommen in die Endauswahl des Wettbewerbs. Wichtig ist, die Beiträge mit Namen, Alter, Telefonnummer, Anschrift und E-Mail-Adresse zu versehen. Die Gewinner werden bei der Vorstellung am 6. Januar 2015 bekannt gegeben.
Premiere hatte „Der gestiefelte Kater“ nach den Gebrüdern Grimm am vergangenen Freitag im großen Haus. Wie schon in den Vorjahren, so sind auch diesmal bereits viele Vorstellungen des Weihnachtsmärchens ausverkauft. Auskünfte zu freien Terminen gibt es auch unter Tel. 0340/2 51 13 33.
Vorerst zeigt Ortmann Fotos, holt aus, blickt ins Jahr 1992. Damals inszenierte Hans-Jürgen Müller-Hohensee „Dornröschen“ und Ortmann spielte den Küchenjungen. Beschauliche Kulissen, und noch ein Damals-Foto: „Der gestiefelte Kater“ von 1981. Christel Ortmann spielte die Prinzessin. Nun ist sie die Zauberin und mehr als eine Quotenfrau fürs Böse.
Erste Entwürfe für Kostüme und Bühne
Erste Entwürfe für Bühne und Kostüm werden gezeigt. Zum Beispiel das Schloss. Justus Saretz wollte im Stationendrama das Schloss auf offener Bühne in den Wald verwandeln. Nun ist das Schloss bewaldet und der Wald voller verborgener Schlosszäune. Im Diktat der Notwendigkeit wurden aus den Stationen Wiese und Feld See und Mühle, zwei ohnehin bespielte Orte. Es geht auch um den permanenten Rollentausch, um die Bewegung hinter der bewegten Inszenierung.
Alrune Sera habe spanische Mode zitiert. Von der hohen Taille der Prinzessin ist die Rede, vom Gleichklang der Farben als Zeichen der Zugehörigkeit - oder von einer erzählenden Mischung. Der Hofmarschall verweise in violetten Tönen auf die Machtspiele zwischen Königsblau und Zauberinnenpurpur.
Geschichte einer ungleichen Freundschaft
Und der Kater? Wie selbstverständlich werde der gestiefelte Kater als „Herr“ angeredet, sagt Braun. Diese Selbstverständlichkeit werde nun dargestellt. Der Müllersohn sei, so Ortmann, im Original unterrepräsentiert, das Märchen quasi eine One-Man-Show. Nun werde die Geschichte einer ungleichen Freundschaft erzählt. Und die Schattenspiele? Da werden keineswegs Scherenschnitte ins Licht gehalten. Dirk Greis gibt nicht nur den Hintern des Elefanten. Doch drei Personen sind nötig für das Tier. Wie man plötzlich da ist, ohne anzukommen, wie so beschaulich bedrohlich mit den Größen gespielt werde...
Lesen Sie auf der nächsten Seite mehr über die Ideen und Inspiration von Jan Kersjes.
Und die Musik? Erste Entwürfe klingen an. Kersjes erzählt von Ideen, Inspirationen und Übernahmen. Aber: Es werde nicht live gesungen, was trotz genannter Gründe bedauerlich erscheint. Wenigsten seien die Aufnahmen nicht aufpoliert. Das Lied der Zauberin enthält eine zauberhafte Geschichte. Da heißt es: „Doch im Bösen bin ich gut“. Dabei fährt das Böse in anfechtbare Höhen - und ausgerechnet da erfolgt eine Stimmübergabe von der Frau zum Mann. Jan Kersjes führt Christel Ortmanns Stimme fort und nach oben. Das hätte man live machen sollen!
Largo als Mitmachnummer
Pause und Coming-out eines Kängurus zum Konzert: Kersjes steht als Musikclown auf der Bühne, mit Schwanz und Didgeridoo, aber beinah ohne Pointe. Kein Schenkelklopfen auf Verabredung, kaum gemeinsames Lachen, aber Geräusche am Nachbartisch, eine Frau, sich leise krümmend. Anderen Orts ähnliche Bilder. Das ist schräg und doch von skurriler Ruhe, schrill und still. Nah und sehr fern von Brecht schrieb Kersjes ein dramatisches Gedicht an den Pflaumenbaum. Welch Schicksalslied, welch Stimme auch, samten stark! Er taucht ins Gefühl, als fühlte er und bricht nicht nur den Stamm.
Publikum macht mit
Zur Mitmachnummer wird das Largo überhaupt, das aus der Oper „Xerxes“. Ein verstohlener Melodica-Endlospart der Gäste, Publikumsbeschimpfungen und endlich singen alle Händel auf „nana…“.
Kersjes balanciert genial zwischen Innerlich- und Lächerlichkeit. Das ist anheimelnd lyrischer Klamauk, tief gefühlter Nonsens. „In meinen kalten Träumen bin ich ein Känguru“, singt er auf Englisch und „Your Song“ von Elton John auf Niederländisch, jedenfalls guttural und abgesägt. Kurz: Ein Känguru mit Samtpfoten am Klavier, mit starker, mehr noch weich gekreideter Stimme, eines, das in keinen Schuh passt. (mz)
