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Alternativer Stadtrundgang Alternativer Stadtrundgang: Auf den Spuren des jüdischen Lebens in Dessau

Von Daniel Salpius 21.10.2018, 07:00
Die Webseite Jewish Places
Die Webseite Jewish Places Screenshot

Dessau - Moses Mendelssohn, das Bauhaus, Kurt Weill - die Geschichte Dessaus ist ganz wesentlich durch die jüdische Kultur geprägt. Doch viele der Orte und Zeugnisse der fast 350-jährigen jüdischen Geschichte sind heute teils vergessen, teils aus den Trümmern des Zweiten Weltkrieges nicht wieder zum Vorschein gekommen.

Mit einem virtuellen Stadtspaziergang, der einige von Dessaus „Jewish Places“ (Englisch: jüdische Orte) aufreiht, hat der Historiker Johannes Schwarz die Spuren jüdischen Lebens in der ehemaligen Residenzstadt zurück an die Oberfläche geholt.

Der Spaziergang umfasst aktuell elf Stationen - darunter das Mendelssohn-Denkmal, die alte Synagoge sowie die ungefähren Standorte der „Herzoglichen Franzschule“ und des Geburtshauses Kurt Weills. Der Rundgang soll zu Fuß ungefähr 90 Minuten dauern, kann aber auch von der Couch aus abgeschritten werden. Zu jeder Station wird ein kurzer Infotext geliefert.

Die Möglichkeit Dessau aus jüdischer Sicht zu entdecken

„Das Ziel ist zunächst ein touristisches: Ich wollte den Besuchern Dessaus die Möglichkeit bieten, die Stadt ganz anders zu entdecken als bisher, nämlich aus jüdischer Perspektive“, erklärt Schwarz. „Natürlich ist Wissen auch immer aufklärerisch.“ Jüdische Geschichte im direkten Umfeld der Menschen sichtbar zu machen, sei das beste Mittel gegen Ignoranz und Antisemitismus. „Auf diese Weise wird verständlich, dass es um Deutsche geht, nicht um Fremde.“

Schwarz’ Spaziergang ist Teil der interaktiven Online-Karte „Jewish Places“, die das Jüdische Museum Berlin im September gestartet hat. Die Karte verzeichnet jüdisch konnotierte Orte in ganz Deutschland, Österreich und der Schweiz. Als freier Mitarbeiter des Museums sollte Johannes Schwarz für 20 deutsche Städte - mindestens eine in jedem Bundesland - Stadtrundgänge zum jüdischen Leben in Geschichte und Gegenwart konzipieren. Bei der Auswahl der Städte sei er völlig frei gewesen, erklärt Schwarz.

Dessau war im 18. und 19. Jahrhundert ein Zentrum der jüdischen Aufklärung

Die Entscheidung, in Sachsen-Anhalt neben der Landeshauptstadt Magdeburg auch Dessau zu berücksichtigen, war dabei ein ganz logischer Schritt für für den 51-Jährigen. „Ich habe mich schon während meines Studiums in Leipzig mit Dessau beschäftigt. Die Stadt hat eine besonders reiche jüdische Vergangenheit.“

So sei Dessau im 18. und 19. Jahrhundert ein Zentrum der jüdischen Aufklärung gewesen. Nicht nur, weil der Philosoph und Lessing-Freund Moses Mendelssohn in der Mulde-Stadt geboren wurde. „Mit der ,Herzoglichen Franzschule’ wurde hier 1799 eine der fortschrittlichsten jüdischen Schulen ihrer Zeit begründet.“ Zudem sei mit der „Sulamith“ 1806 die erste jüdische Zeitschrift in deutscher Sprache erschienen. Nicht zuletzt gebe es in Dessau seit 1994 wieder eine jüdische Gemeinde mit heute 300 Mitgliedern.

Durch die Bombadierung Dessaus im Zweiten Weltkrieg haben sich ganze Straßenzüge verändert

Zweimal war Schwarz vor Ort, um für den Stadtspaziergang zu recherchieren. „In Dessau war ich sehr verwirrt, weil sich durch die Bombardierung im Zweiten Weltkrieg ganze Straßenzüge verändert haben.“ So liege etwa die Franzschule irgendwo unter dem „Dessau Center“. Mit etwas Suchen und einer alten Karte ausgerüstet, konnte der Experte für jüdische Geschichte die meisten Orte dennoch - zumindest ungefähr - lokalisieren. Hilfe kam vom Museum für Stadtgeschichte, der Moses-Mendelssohn-Gesellschaft Dessau und der Werkstatt Gedenkkultur im Kiez-Verein.

„Jewish Places“ richtet sich vor allem an lokale Bildungseinrichtungen - als Einstieg in die jüdische Lokalgeschichte, aber auch als Plattform. Schulen oder Universitäten, die in Projekten neue Aspekte jüdischen Lebens in ihrer Stadt ausgraben, sollen die Erkenntnisse auf der Karte verzeichnen können. (mz)

Der Stadtspaziergang ist abrufbar unter www.jewish-places.de

Tour beginnt am Mendelssohn-Denkmal.
Tour beginnt am Mendelssohn-Denkmal.
Screenshot: www.jewish-places.de